1 Allgemeines

1.1 Sinn und Zweck

 

Rz. 1

Die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit i. S. d. § 18 EStG gehören zu den Gewinneinkunftsarten. Die grundlegenden Voraussetzungen (Selbstständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) sind bei den Gewinneinkunftsarten im Wesentlichen gleich. Gegenüber den übrigen Gewinneinkunftsarten grenzt sich § 18 EStG vor allem durch eine Beschreibung derjenigen Tätigkeitsbereiche ab, die nach der Intention des Gesetzgebers zu Einkünften aus selbstständiger Arbeit führen sollen. Maßgeblich für die Einordnung ist die Ausübung eines der "Katalogberufe" oder eines "ähnlichen Berufs", wobei es auf die konkret ausgeübte Tätigkeit ankommt (Rz. 31).

Innerhalb der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit sind 4 Gruppen zu unterscheiden:

  • freie Berufe,
  • staatliche Lotterien,
  • sonstige selbstständige Arbeit,
  • Gewinnanteile aus Wagniskapitalgesellschaften.

Die in der Praxis wichtigste Gruppe ist die der freien Berufe. Sie teilt sich wiederum in 3 Gruppen ein:

  • qualifizierte Berufe,
  • Katalogberufe,
  • ähnliche Berufe.
 

Rz. 2

Hauptgrund für Streitigkeiten über die Zuordnung von Einkünften ist aber nach wie vor die Belastung gewerblicher Einkünfte mit GewSt. Zwar beseitigt die Steuerermäßigung in § 35 EStG durch die Anrechnung der GewSt auf die ESt-Schuld die Mehrbelastung, soweit der Hebesatz einer Gemeinde unter 400 % liegt. Liegt sie (wie in vielen Ballungsgebieten) darüber, bleibt es bei der Mehrbelastung für Gewerbetreibende. Für die Angehörigen der beratenden Berufe liegt hier ein erhebliches Haftungsrisiko; sie sind gezwungen, die immer schwieriger werdende Abgrenzung zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit vor allem anhand der immer kleinteiligeren Rspr. zu diesem Themenkreis genau zu verfolgen.[1] Motiv, zu dem Kreis der freien Berufe gerechnet zu werden, kann für Stpfl. auch in der weniger strengen Buchführungspflicht (Rz. 103) oder in der Möglichkeit, auf einen derivativ erworbenen Praxiswert regelmäßige Abschreibungen vornehmen zu können, liegen. Nachteilig gegenüber gewerblichen Einkünften wirkte sich die fehlende Möglichkeit, in den Genuss der Tarifbegrenzung des § 32c EStG a. F. zu kommen, aus und gegenüber nichtselbstständig Tätigen wirkt sich die fehlende Steuerfreiheit für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge[2] oder der privaten PC-Nutzung nach § 3 Nr. 45 EStG aus.[3] Teilbereiche freiberuflicher Tätigkeit (z. B. künstlerische Tätigkeiten) werden von § 3 Nr. 26 EStG begünstigt, soweit sie nebenberuflich ausgeübt werden. Außerhalb des Steuerrechts knüpfen an die steuerliche Zuordnung gelegentlich andere berufsrechtliche Pflichten[4] und Rechte an, wie z. B. die Mitgliedschaft in der Künstlersozialversicherung mit günstigeren (staatlich subventionierten) Beitragssätzen ("Künstlerprivileg").

[1] Brandt, BB 2018, 2334; Jahn, DB 2015, 641.
[2] BFH v. 21.5.1987, IV R 339/84, BStBl II 1987, 625: Kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz.
[4] Zugehörigkeit zu einer Industrie- und Handelskammer; s. a. Jahn, DB 2007, 2613.

1.2 Verfassungsmäßigkeit des § 18 EStG

 

Rz. 3

Die Verfassungsmäßigkeit des § 18 EStG wird hauptsächlich unter dem Blickwinkel der unterschiedlichen Belastung Selbstständiger mit GewSt diskutiert. Trotz der seit Vz 2001 geltenden Tarifvorschrift des § 35 EStG (GewSt-Anrechnung) wird eine Doppelbelastung mit GewSt und ESt bei gewerbetreibenden natürlichen Personen nicht vollständig vermieden (§ 35 EStG Rz. 6). Das BVerfG ist bisher von seiner Linie, wonach die Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit durch den Gesetzgeber gerechtfertigt sei, nicht abgewichen.[1] Es hat zur Vorzugsstellung der freien Berufe auf den "Charakter der Berufstätigkeit" und die "Stellung und Bedeutung der freien Berufe im Sozialgefüge" ebenso hingewiesen wie auf die zum Erwerb der hohen Qualifikation längere Ausbildungszeit der Selbstständigen. Zur Rechtfertigung der Regelung, dass Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und die freien Berufe im Gegensatz zu Gewerbetreibenden nicht der GewSt unterliegen, hat das BVerfG hervorgehoben, dass die Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital bei Landwirtschaft, freien Berufen und Gewerbe grundlegend verschieden sei.

[2] Dem ist nicht nur in der Literatur[3], sondern wiederholt auch in finanzgerichtlichen Entscheidungen widersprochen worden. Das BVerfG sieht für eine Differenzierung aber nach wie vor hinreichend tragfähige Gründe und hat auf den dritten Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG[4] die Gewerbesteuerfreiheit von Selbstständigen (und Landwirten) für verfassungsgemäß erklärt. Die GewSt gliche besondere Infrastrukturlasten für die Gemeinden aus, die von Gewerbetrieben bewirkt würden. Die Herausnahme der Freiberufler sei deshalb jedenfalls nicht willkürlich.[5] Für eine Privilegierung freiberuflicher Einkünfte spricht aber auch deren Abhängigkeit von Honorar- und Gebührenordnungen sowie von standes- bzw. berufsrechtlichen Wettbewerbsbeschränkungen.[6]

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