Rz. 31

§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählt die Berufsgruppen auf, die durch eine selbstständige Berufstätigkeit Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erzielen. Die (berufsrechtliche) Zugehörigkeit zu einer der Berufsgruppen reicht allein jedoch nicht aus, die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit muss freiberuflicher Art sein. Sie muss für den genannten Katalogberuf berufstypisch, d. h. in besonderer Weise charakterisierend und dem Katalogberuf vorbehalten sein. Es genügt auch nicht, dass die weitere Tätigkeit mit dem Berufsbild eines Katalogberufs nach den berufsrechtlichen Vorschriften vereinbar ist.[1] Damit werden auch typische Betätigungsfelder bestimmter Berufsgruppen (Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter oder Betreuer, s. Rz. 98) ausgegrenzt.[2]

4.1 Wissenschaftliche Tätigkeit

4.1.1 Allgemeines

 

Rz. 32

Der Begriff der "Wissenschaftlichkeit" ist rein steuerrechtlich zu verstehen. Er stellt gewisse Mindesterfordernisse an die inhaltliche Qualität und an die äußere Form der Arbeit, ohne dass es auf die verfolgten Zwecke ankommt.[1] Es muss aber eine anspruchsvolle, besonders qualifizierte Arbeit ausgeübt werden, die geeignet ist, grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten in ihren Ursachen zu erforschen, zu begründen und in einen Verständniszusammenhang zu bringen.[2] Wer lediglich Tatsachen darstellt, arbeitet ebenso wenig wissenschaftlich wie jemand, der praxisorientierte Kenntnisse vermittelt oder Dritte berät (Politikberater).[3] Der Begriff der Wissenschaftlichkeit ist in besonderem Maß mit den Disziplinen verbunden, die an den Hochschulen gelehrt werden, allerdings müssen die Kenntnisse nicht im Rahmen eines anerkannten akademischen Ausbildungsgangs erworben worden sein.[4] Andererseits liegt nicht in jeder Betätigung auf der Grundlage einer solchen Ausbildung eine wissenschaftliche Tätigkeit. Die bloße Anwendung wissenschaftlicher Grundsätze und Methoden vor Erbringung der eigentlich geschuldeten Leistung stellt keine wissenschaftliche Tätigkeit dar. Auch eine eher praxisorientierte Beratung reicht nicht aus. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder Ärzte sind deshalb nicht ohne Weiteres wissenschaftlich tätig. Wer wie diese im Rahmen seines Berufs auf wissenschaftliche Methoden zurückgreift, übt diesen Beruf aus, betätigt sich aber erst dann als Wissenschaftler, wenn er z. B. die gewonnenen Erkenntnisse veröffentlicht.[5]

 

Rz. 33

Die Tätigkeit muss nach Methode und Zielsetzung wissenschaftlichen Charakter haben. Die Methode ist wissenschaftlich, wenn sie jederzeit nachprüfbar und nachvollziehbar grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge in ihren logischen Abhängigkeiten untersucht und zurückverfolgt und sie in einem System darstellt. Die Zielsetzung ist nicht nur dann wissenschaftlich, wenn sie auf schöpferischem oder forschendem Weg eine Erweiterung der Erkenntnisse anstrebt (reine Wissenschaft). Auch die Anwendung der so gewonnenen Erkenntnisse auf konkrete Vorgänge (angewandte Wissenschaft) kann diese Zielsetzung erfüllen.[6]

4.1.2 Einzelfälle

 

Rz. 34

Die Tätigkeit eines Apotheken-Inventurbüros ist keine wissenschaftliche Tätigkeit. Es fehlt insoweit an einer Betätigung auf wissenschaftlicher Grundlage. In erster Linie sind hierfür Erfahrungen aus dem Gebiet der Handelsvertretung von Bedeutung, sodass die Inventurarbeiten auf einer typischen gewerblichen Betätigung aufbauen. Erforderlich sind vor allem Branchen- und Marktkenntnisse, nicht jedoch Kenntnisse über die chemische Zusammensetzung und Wirkungsweise von Arzneimitteln.[1]

Die Entwicklung von Bakterienkulturen stellt – für sich betrachtet – eine wissenschaftliche Tätigkeit dar.[2]

Die Erstattung von Gutachten ist eine wissenschaftliche Tätigkeit, wenn diese Gutachten die Kenntnisse und die Beherrschung der Methoden einer wissenschaftlichen Disziplin voraussetzen und nur auf dieser Grundlage erstellt werden können.[3] Das hat der BFH außerdem angenommen im Fall eines Dispacheurs[4], ebenso bei einem Betriebswirt, der als Gutachter für Versicherungsunternehmen Betriebsunterbrechungsschäden ermittelt und die geschädigten Unternehmer bei der ihnen obliegenden Pflicht zur Schadensminderung berät.[5] Die Tätigkeit als Diamant-Gutachter ist dagegen nicht wissenschaftlich, denn die damit verbundene Aufgabenstellung erfordert neben den Fachkenntnissen eines Juweliers vor allem Marktkenntnisse und im praktischen Erwerbsleben gewonnene Erfahrungen.[6] Allgemein ...

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