Rz. 9

Bereits bei § 2b EStG (aufgehoben)[1] ist gerügt worden, dass die überwiegend aus unbestimmten Tatbestandsmerkmalen wie "ähnliche Modelle", "im Vordergrund stehen", "Rendite nach dem Betriebskonzept", "Inaussichtstellen von Steuerminderungen" u. a. bestehende Norm gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße und damit verfassungswidrig sei.[2] Entsprechendes gilt für § 15b EStG. Das Gebot der Bestimmtheit einer Norm erfordert, dass steuerbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Stpfl. die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann. Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.

Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe verstößt aber nicht ohne Weiteres gegen das Bestimmtheitsgebot. Insbesondere bei vielgestalteten Sachverhalten ist eine solche Regelungstechnik grundsätzlich unbedenklich, wenn sich unbestimmte Rechtsbegriffe durch die Auslegung der betreffenden Normen nach den Regeln der juristischen Methodik hinreichend konkretisieren lassen. Auslegungsbedürftigkeit macht daher eine Norm nicht unbestimmt, da es Sache des Rechtsanwenders ist, Zweifelsfragen zu klären.[3] Die unbestimmten Tatbestandsmerkmale des § 15b EStG wie "Steuerstundungsmodell", "modellhafte Gestaltung", "steuerliche Vorteile", "Möglichkeit geboten", "Anfangsphase" sind klarer formuliert als in § 2b EStG a. F. Der Begriff "modellhafte Gestaltung" wird in § 15b Abs. 2 EStG legal definiert, und die unbestimmten Tatbestandsmerkmale sind einer Auslegung zugänglich und somit hinreichend bestimmt.[4]

 

Rz. 10

Die Vorschrift wirkt präventiv abschreckend. Die Finanzverwaltung wendet § 15b EStG an und stellt diese Verluste als nicht ausgleichsfähig fest. Der Stpfl. wird daher seine Verluste nicht mehr mit anderen Einkünften ausgleichen können bis zu einer wie auch immer gearteten Entscheidung des BVerfG. Welcher Anleger wird daher noch eine solche Anlage zeichnen, wenn er weiß, dass er die Verluste nur über einen Rechtsstreit mit eher ungewissem Ausgang ausgleichsfähig machen kann?

 

Rz. 10a

Es besteht auch kein Verstoß gegen das Prinzip der Widerspruchsfreiheit einer Norm, weil kein verfassungsrechtliches Gebot des sofortigen Verlustabzugs mit anderen Einkünften besteht.[5]

[1] G. v. 22.12.2005, BGBl I 2005, 3683.
[2] Raupach/Böckstiegel, FR 1999, 617, 624; Seeger, in Schmidt, EStG, 2006, § 2b EStG Rz. 21f.; Birk/Kusola, FR 1999, 433; kritisch auch Seer/Schneider, BB 1999, 872, 878.
[3] BVerfG v. 12.10.1978, 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343, 363; BVerfG v. 3.11.1982, 1 BvR 210/79, BVerfGE 62, 169; BVerfG v. 9.8.1995, 1 BvR 2263/89, BVerfGE 93, 213, 238; BVerfG v. 12.10.2010, 2 BvL 59/06, BFH/NV 2010, 2387: Das BVerfG hat die Vorlage des BFH v. 6.9.2006, XI R 26/04, BFH/NV 2006, 2351, zu § 2 Abs. 3 EStG a. F. als unzulässig verworfen, da sich der BFH nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, wieso die behauptete mangelnde Bestimmtheit der Norm nicht durch Auslegung lösbar sei.
[4] BFH v. 6.2.2014, IV R 59/10, BFH/NV 2014, 774; BFH v. 17.1.2017, VIII R 7/13, BFH/NV 2017, 969; Schuhmann, StuB 2017, 536; FG Baden-Württemberg v. 7.7.2011, 3 K 4368/09, EFG 2011, 1897, rkr.; FG Münster v. 10.1.2013, 5 K 4513/09 E, EFG 2013, 1014; Heuermann, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 15b EStG Rz. 1; Kaeser, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15b EStG Rz. A 58ff.; Hallerbach, in H/H/R, EStG/KStG, § 15b EStG Rz. 10, Schuska, DStR 2014, 825; offengelassen BFH v. 8.4.2009, I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437.

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