Rz. 91

Die freiberufliche Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und die sonstige selbstständige Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) bilden zusammen mit der Betätigung als Einnehmer einer staatlichen Lotterie (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 EStG) den Bereich der selbstständigen Arbeit i. S. v. § 18 EStG. Alle drei Tätigkeitsbereiche erfassen Betätigungen, die ebenso wie die gewerbliche Tätigkeit selbstständig, nachhaltig sowie mit Gewinnerzielungsabsicht und unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ausgeübt werden. Erweitert wurde der Bereich um Gewinnanteile aus Wagniskapitalgesellschaften (§ 18 EStG Rz. 102a).

Die freien Berufe sind in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG namentlich aufgeführt. Erfasst sind zunächst die selbstständig ausgeübten wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen sowie unterrichtenden oder erziehenden Tätigkeiten, die sodann um Katalogberufe erweitert und um ähnliche Berufe ergänzt wird.

Ein externer Datenschutzbeauftragter übt auch dann, wenn er zugleich als Rechtsanwalt tätig ist, keinen in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Katalogberuf aus.[1]

 

Rz. 91a

Regelmäßige Diskussionen wirft die Abgrenzung zwischen künstlerischer (§ 18 EStG) und gewerblicher (§ 15 EStG) Tätigkeit auf. Um als "künstlerisch" angesehen werden zu können, muss die Tätigkeit eigenschöpferische Elemente enthalten, in der die individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft des Künstlers zum Ausdruck kommen und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen.[2] So erbringt z. B. ein Discjockey, der bei Hochzeiten, Geburtstagsfeiern sowie Firmenveranstaltungen überwiegend Musikstücke anderer Urheber zu Gehör bringt, eine eigenschöpferische Leistung, weil er den Musikstücken durch die Verwendung von Plattenteller, Mischpult, CD-Player und Computer als "Instrumente" durch Vermischung und Bearbeitung sowie Hinzufügen von Tönen und Geräuschen insgesamt einen neuen Charakter verliehen hat.[3] Das Gleiche gilt für einen Instrumentenspieler[4] oder einen "Off-Sprecher" in sog. TV-Doku-Entertainment-Formaten, der die selbst gesprochenen Texte ganz überwiegend selbst gestaltet.[5] Sowohl an einer hinreichenden "künstlerischen Gestaltungshöhe" als auch an einer eigenschöpferischen Tätigkeit fehlt es allerdings, wenn der Stpfl. lediglich seine eigene – im bürgerlichen Leben identische – Persönlichkeit frei darstellt.[6] Auch die Tätigkeit als "Medium" ist mit ähnlicher Begründung nicht künstlerisch oder wissenschaftlich, sondern gewerblich.[7]

 

Rz. 92

Bei verschiedenen virtuellen Tätigkeiten (Stichwort: YouTuber, Blogger, Podcaster; Rz. 42a) ergeben sich ebenfalls Abgrenzungsprobleme zwischen Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit. So kann es im Einzelfall zweifelhaft sein, ob die Tätigkeit bzw. die veröffentlichten Beiträge nicht in erster Linie künstlerischer, schriftstellerischer, journalistischer oder unterrichtender Natur sind und deshalb unter § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu fassen sind.[8] Zu prüfen sind aufgrund der Subsidiarität des § 15 Abs. 2 S. 1 EStG stets zuerst die Voraussetzungen der – evtl. in Betracht kommenden – Fallgruppe des § 18 EStG. Erst wenn diese zu verneinen ist, sind gewerbliche Einkünfte (vorbehaltlich der übrigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG) anzunehmen. Insgesamt ist aber davon auszugehen, dass § 18 Abs. 1 Nr. 1, 3 EStG aufgrund seiner höheren Tatbestandserfordernisse nur im Ausnahmefall eingreifen wird.

Bei Minderjährigen ist m. E. sogar von einer gänzlichen Unanwendbarkeit des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auszugehen: denn der dort verwendete Terminus "Beruf" bedeutet allgemeinsprachlich eine aufgrund besonderer Eignung und Neigung systematisch erlernte, spezialisierte, meist mit einem Qualitätsnachweis versehene, dauerhaft und gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit eines Menschen. Dies ist für Heranwachsende bei lebensnaher Betrachtung regelmäßig nicht einschlägig. Zwar schützt die Rechtsordnung grundsätzlich jedwede – also auch untypische – Tätigkeiten als Beruf, sofern sie nur zum Aufbau und zur Erhaltung einer Lebensgrundlage objektiv geeignet sind.[9] Allerdings sind gerade die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erwähnten "freien Berufe" von besonderen persönlichen und sachlichen Berufsanforderungen (z. B. unabhängige Stellung, besondere Eigenverantwortlichkeit, spezielle Sachkunde) geprägt,[10] denen ein Heranwachsender im Regelfall noch nicht nachkommen kann.

 

Rz. 93

Zur Abgrenzung von gemischten Tätigkeiten s. Rz. 32.

 

Rz. 94

Fällt eine Tätigkeit in den freiberuflichen oder sonstigen selbstständigen Bereich und wird sie zudem aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich ausgeübt, so ist sie nicht gewerblich (zur Abgrenzung im Einzelnen H 15.6 EStH 2022 mit zahlreichen Beispielen). Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 15 Abs. 2 S. 1 EStG. Allerdings wird nach st. Rspr. ein einem Katalogberuf ähnlicher Beruf nur ausgeübt, wenn er in seinen wesentlichen Punkten mit einem Katalogberuf vergleichbar ist (§ 18 EStG Rz. 7, 15ff.,...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge