Rz. 32a

Der BFH vertrat bis zu seiner Entscheidung des Großen Senats v. 21.9.2009[1] eine Interpretation des § 12 Nr. 1 S. 2 EStG i. S. d. eines grundsätzlichen und umfassenden Aufteilungs- und Abzugsverbots gemischter, d. h. die berufliche (betriebliche) und die private Sphäre betreffender Aufwendungen.[2] Dem Beschluss GrS 2/70 lag die Anfrage des VI. Senats des BFH[3] zugrunde. Zu entscheiden war, ob die Aufwendungen eines Gerichtsassessors für eine Schreibmaschine und ein Tonbandgerät, die unstreitig beruflich und privat genutzt wurden, anteilig berücksichtigt werden konnten. Der Beschluss GrS 3/70 erging auf die Anfrage des IV. Senats des BFH[4], die die Aufteilbarkeit der Aufwendungen eines in der Funk-, Film- und Fernsehbranche gewerblich und selbstständig tätigen Stpfl. für ein Fernsehgerät zum Gegenstand hatte. Beide vorlegenden Senate führten aus, sie neigten dazu, eine Aufteilungsmöglichkeit der Aufwendungen zu bejahen.

 

Rz. 33

Der BFH berief sich für seine Auslegung des § 12 Nr. 1 S. 2 EStG als allgemeines und umfassendes Aufteilungs- und Abzugsverbot auf den Wortlaut sowie auf Sinn und Zweck des § 12 Nr. 1 S. 2 EStG. Da Aufwendungen für die Lebensführung in den Fällen, in denen nur die private Lebensführung betroffen ist, ohnehin, d. h. auch ohne die Regelung in § 12 Nr. 1 S. 2 EStG, weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abziehbar sind, könnten von der Vorschrift bereits nach dem Wortlaut mit der Folge der Nichtabziehbarkeit nur solche Aufwendungen betroffen werden, die der privaten Lebensführung dienen, aber auch den Beruf fördern. Die Bedeutung der Regelung lag nach den Beschlüssen des GrS daher in der steuerlichen Behandlung der gemischten Aufwendungen, die ohne diese Regelung aufteilbar und anteilig abziehbar wären, und zwar auch dann, wenn die Aufteilung im Einzelfall schwierig wäre. Die Vorschrift enthielt daher nach dieser Ansicht ein generelles und umfassendes Aufteilungs- und Abzugsverbot. Auch bei überwiegend betrieblicher (beruflicher) Veranlassung entfiel somit die steuerliche Berücksichtigung.

 

Rz. 34

Der Sinn und Zweck der Regelung ging nach der Rspr. dahin, dass das allgemeine (umfassende) Aufteilungs- und Abzugsverbot in erster Linie der steuerlichen Gerechtigkeit dient. Es solle damit verhindert werden, dass Stpfl. durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung von beruflichen oder privaten Erwägungen Aufwendungen für ihre Lebensführung nur deshalb – z. T. – in einen einkommensteuerlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen entsprechenden Beruf haben, während andere Stpfl. gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müssen. Zum anderen solle die Vorschrift verhüten, dass Aufwendungen als vom Stpfl. durch den Betrieb veranlasst dargestellt werden, ohne dass für das FA die Möglichkeit besteht, diese Ausgaben nachzuprüfen und die tatsächliche berufliche oder private Veranlassung festzustellen.

 

Rz. 34a

Die in den Beschlüssen GrS 2/70 und GrS 3/70 aufgestellten Grundsätze wurden u. a. bestätigt[5] für Aufwendungen bei der Teilnahme an Auslandsgruppenreisen zu Informationszwecken und für Schuldzinsen bei einem gemischten Kontokorrentkredit.[6] Die etwas großzügigere Wertung betr. anteilige Anerkennung der Aufwendungen einer freiberuflichen Sängerin für Kleidung, Friseur und Kosmetika[7] gab der BFH für Aufwendungen für bürgerliche Kleidung und Kosmetika einer Schauspielerin wieder auf.[8] BFH und FG führten seitdem die Grundsätze des Großen Senats[9] unverändert fort.

 

Rz. 34b

Die BFH-Rspr. wurde verfassungsrechtlich bestätigt.[10] Der BFH tendierte bis zu seiner Kehrtwende durch Beschluss v. 21.9.2009 eher zu einer vermehrten Typisierung.[11] Er erkannte aber zwei Ausnahmen vom Abzugsverbot an:

  • Eine unbedeutende und nicht ins Gewicht fallende Mitveranlassung durch die Lebensführung war (und ist) unbeachtlich. Aufwendungen waren (und sind nach wie vor) deshalb in vollem Umfang abziehbar, wenn die Förderung des Berufs (Betriebs) bei Weitem überwiegt und die Lebensführung ganz in den Hintergrund tritt.[12]
  • Ermöglichen objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung und ist zudem der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung, war (und ist nach wie vor) eine Aufteilung der gemischt veranlassten Aufwendungen zulässig.[13]

Für diese Ausnahmefälle trat durch die Rechtsprechungsänderung keine Veränderung ein.

 

Rz. 35

In folgenden Fällen verneinte der BFH einen auch nur teilweisen Abzug als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten unter Berufung auf das Aufteilungs- und Abzugsverbot:

  • kein Werbungskostenabzug bei Auslandsreise mit gemischtem Programm[14];
  • keine Anerkennung eines zum Hausflur offenen Raums als häusliches Arbeitszimmer[15];
  • kein Abzug von Strafverfahrenskosten, auch wenn Disziplinarmaßnahmen betroffen sind[16];
  • kein anteiliger Betriebsausgabenabzug der Kosten einer auch betrieblich genutzten Einzimmerwohnung[17];
  • kein Abzug der Wohnungsmiete, obwohl sich beruflich ...

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