Rz. 20

Ob § 12 Nr. 1 S. 2 ebenso wie S. 1 EStG lediglich klarstellende Bedeutung oder auch rechtsbegründende Funktion hat, ist umstritten. Nach der bisherigen Rspr. des BFH[1] bis zur Entscheidung des Großen Senats im Jahre 2009[2] kommt der Vorschrift rechtsbegründende Bedeutung zu. Danach besteht dann, wenn festgestellt wird, dass eine Aufwendung für die Lebensführung i. S. v. § 12 Nr. 1 S. 2 EStG vorliegt, in Fällen, in denen nur die private Lebensführung betroffen ist, ohnehin kein Zweifel daran, dass die Aufwendungen weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abziehbar sind. Denn diese Aufwendungen erfüllen dann weder die Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 4 EStG noch die des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG. Durch § 12 Nr. 1 S. 2 EStG können nur solche (gemischte) Aufwendungen betroffen werden, die der privaten Lebensführung dienen, aber auch den Beruf fördern.

 

Rz. 20a

Die Bedeutung der Bestimmung liegt deshalb in der steuerlichen Behandlung dieser gemischten Aufwendungen. Ohne diese Vorschrift wäre, wenn solche Aufwendungen sowohl durch die Lebensführung als auch durch den Beruf veranlasst sind, nach allgemeinen Grundsätzen eine Aufteilung erforderlich mit der Folge einer anteiligen Abziehbarkeit; ggf. wäre der betriebliche/berufliche Anteil zu schätzen, § 162 AO. Die Bedeutung des § 12 Nr. 1 S. 2 EStG lag nach der Rspr. des BFH in einem umfassenden Aufteilungsverbot mit der Folge, dass auch der Teil der Aufwendungen, der betrieblich (beruflich) veranlasst ist, nicht abziehbar ist (allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot).[3]

Dies wurde vom BFH durch Urteil v. 27.11.1978 bestätigt.[4] Im Anschluss an BFH v. 11.11.1976[5] war vielfach eine Abkehr von dem strengen Aufteilungs- und Abzugsverbot bzw. die Zulassung weiterer Ausnahmen erwartet worden. Der BFH hatte in dieser Entscheidung eine Ausnahme vom Aufteilungs- und Abzugsverbot anerkannt, wenn es zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde (betr. Aufwendungen einer Sängerin für Kleidung, Kosmetika, Friseur usw.). Der BFH hat später klargestellt, dass über die in BFH v. 19.10.1970[6] zugelassenen Ausnahmen hinaus (Schreibmaschine, Tonbandgerät, Pkw usw., "Güter der gehobenen Lebensführung", Rz. 40ff.) keine weiteren Durchbrechungen des Aufteilungs- und Abzugsverbots anerkannt werden.[7]

 

Rz. 20b

Auch in der Entscheidung zur Aufteilbarkeit der Kosten eines gemischt genutzten PC hielt der BFH am Grundsatz des Aufteilungs- und Abzugsverbot fest. Er stützte die ausnahmsweise mögliche Aufteilung bei PC und Telekommunikationsgeräten auf § 3 Nr. 45 EStG (Rz. 21).[8]

Nach der überwiegenden Auffassung im Schrifttum kommt dagegen auch § 12 Nr. 1 S. 2 EStG weitgehend nur klarstellende Bedeutung zu. Danach befasst sich die Vorschrift lediglich mit den sog. Repräsentationskosten (i. e. S.; Rz. 80 "Repräsentationsaufwendungen"). Dazu rechnen z. B. Aufwendungen für gesellschaftliche Veranstaltungen, für Einladungen und Feiern, für sportliche Zwecke wie Tennisanlagen, Segelboote, Flugzeuge, für die Unterhaltung kostspieliger Parkanlagen, Landhäuser usw., kurz um Aufwendungen "zur Befriedigung des Renommierbedürfnisses". Die Anfügung des S. 2 an § 12 Nr. 1 S. 1 im EStG 1934 habe der Klarstellung gedient, dass solche Repräsentationsaufwendungen nur dann den Betriebsausgaben oder Werbungskosten zugerechnet werden können, wenn sie ausschließlich betrieblich (beruflich) veranlasst sind und nichts mit dem Privatleben zu tun haben, nicht aber dann, wenn private und berufliche Gründe zusammenwirken und eine Trennung nicht erfolgen kann.[9] Derart untrennbare betriebliche (berufliche) und privat veranlasste Repräsentationsaufwendungen können nach der Lit., ohne dass es der klarstellenden Regelung in § 12 Nr. 1 S. 2 EStG bedurft hätte, ebenso wie sonstige derart untrennbar privat mitveranlasste Aufwendungen, bei denen eine Trennung der Bereiche auch theoretisch gar nicht denkbar und möglich erscheint, bereits deshalb nicht abgezogen werden, weil sie die Begriffsmerkmale des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenbegriffs nicht (voll) erfüllen.[10] Umgekehrt folgt daraus, dass in Fällen, in denen betrieblich (beruflich) und privat veranlasste Aufwendungen quantitativ in einen betrieblichen (beruflichen) und privaten Anteil aufteilbar sind (z. B. Nutzung eines Raums für betriebliche und private Zwecke in zeitlichem Wechsel), der ausschließlich betrieblich (beruflich) veranlasste Teil als Betriebsausgabe oder Werbungskosten abziehbar ist.[11] Nur wenn sich die betrieblichen (beruflichen) Ursachen und Anlässe der Aufwendungen jeglicher objektiven Quantifizierung entziehen, sollen nicht abziehbare Mischausgaben vorliegen; z. B. Reisekosten, wenn der Stpfl. am Zielort betriebliche bzw. berufliche und auch private Zwecke verfolgt; Vereinsbeiträge, wenn der Stpfl. damit auch betriebliche (berufliche) Kontakte fördert.[12]

 

Rz. 21a

Ist dagegen eine quantitative Aufteilung der Aufwendungen in einen ausschließlich betrieblichen (beruflichen) und einen ausschließlich privaten Antei...

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