Rz. 134

Berufsausbildung ist die erstmalige Ausbildung zur Erlangung der Kenntnisse, die für die Ausübung eines Berufs notwendig sind (zu Einzelheiten Rz. 137).

 

Rz. 134a

Fortbildung- oder Weiterbildung sind dagegen Maßnahmen, die ein Stpfl. ergreift, um im ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben, den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden und besser vorwärts zu kommen.[1] Die Abgrenzung zwischen beiden Begriffen ist schwierig und hat angesichts der steuerlichen Auswirkungen die Gerichte ständig beschäftigt, sodass die Zahl der Entscheidungen kaum noch überschaubar ist. Die Rspr. legt den Begriff Fortbildungskosten (zu den Einzelheiten des Begriffs § 9 EStG Rz. 244 "Fortbildung") im Zweifel weit aus "… um das zugleich dem Gemeinwohl dienende Streben des Stpfl. nach Steigerung der beruflichen Leistung durch Fortbildung auch von der steuerlichen Seite anzuregen, soweit die Rspr. im Rahmen der Auslegung des geltenden Rechts dazu in der Lage ist".[2]

 

Rz. 134b

Mit den folgenden Entscheidungen hat der BFH[3] seine Rspr. zugunsten des Stpfl. ausgeweitet und in weitaus größerem Umfang Fortbildungskosten bejaht als bisher. Der erste Fall betraf Aufwendungen einer Industriekauffrau, die diesen Beruf fast 20 Jahre nicht ausgeübt hatte und Aufwendungen für eine Fahrschullehrerausbildung geltend machte. Der BFH hat die Aufwendungen für das Erlernen eines anderen Berufs nicht mehr den Ausbildungskosten, sondern den vorweggenommenen Werbungskosten zugerechnet. In einer Vielzahl von Folgeentscheidungen hat er diese Auffassung so erweitert, dass nahezu jegliche Aufwendungen den vorweggenommenen Werbungskosten (ggf. Betriebsausgaben) zuzurechnen waren, z. B.

  • Aufwendungen zur erstmaligen Ausbildung zum Berufspiloten, nachdem der Stpfl. zuvor ein Studium abgebrochen hatte[4];
  • Aufwendungen zur Erlangung des "Masters of Law" nach Bestehen des 1. Juristischen Staatsexamens; der Stpfl. strebte nach Bestehen des 2. Juristischen Staatsexamens die Anstellung in einer international tätigen Rechtsanwaltskanzlei an[5];
  • Aufwendungen für ein Erst- und anschließendes Zweitstudium eines unter Weiterzahlung der Bezüge vom Dienst freigestellten Zeitsoldaten[6];
  • Aufwendungen einer als Krankengymnastin tätigen Klägerin für ein Medizinstudium und die Promotion[7];
  • Aufwendungen einer langjährig tätigen Krankenschwester für einen Lehrgang zur Ausbildung als Lehrerin für Pflegeberufe[8];
  • Aufwendungen einer Bilanzbuchhalterin für die Ausbildung zur Heilpraktikerin[9];
  • Aufwendungen einer Stewardess für den Erwerb des Flugführerscheins einschl. Musterberechtigung[10];
  • Studium einer Bankangestellten, die als Personalreferentin tätig war; der Arbeitgeber verlangte den akademischen Abschluss, um die Klägerin dauerhaft einsetzen zu können[11];
  • Aufwendungen einer Krankenschwester sowie Pflegedienstleiterin für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium im Studiengang Sozialökonomie.[12]
 

Rz. 134c

Der BFH hat seine geänderte Rechtsauffassung überwiegend aus den tief greifenden Veränderungen im Berufsleben, im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt abgeleitet. In der heutigen Zeit könne ein Arbeitnehmer nicht mehr davon ausgehen, den ursprünglich erlernten Beruf das gesamte Berufsleben lang ausüben zu können, sondern müsse sich darauf einstellen, mehr als nur eine Berufsausbildung zu absolvieren. Die Arbeitsmarktsituation verlange es immer häufiger, umzulernen und die erforderliche Qualifikation für eine völlig andere Berufstätigkeit zu erwerben. Darüber hinaus stiegen die Anforderungen an das dem allgemeinen Entwicklungsstand angepasste Spezialwissen, sodass die Fort- und Weiterbildung zunehmend wichtiger werde. Arbeitnehmer stehen heutzutage nach mehreren Jahren der Berufstätigkeit vor der Situation, ohne weitere Qualifikationen eine verbesserte oder höher bezahlte Stellung nicht erreichen oder beibehalten zu können. Dies gelte erst recht bei einer längeren Unterbrechung der Berufstätigkeit. Das heutige Berufsleben sei durch häufigen Arbeitsplatzwechsel gekennzeichnet. Es gebe zudem eine Vielzahl von vor allem neuen Berufen und Berufsbildern, die nicht mehr klar voneinander abgrenzbar sind und ständig wechseln.[13] Der BFH hat damit der auf die Rspr. des RFH zurückgehenden Auffassung, "die Erlangung der für den Lebenskampf notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten gehöre grundsätzlich der privaten Sphäre zu"[14], eine Absage erteilt.

 

Rz. 134d

Erforderlich für den Abzug der Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben ist, dass ein hinreichender konkreter Zusammenhang der Aufwendungen mit späteren Einnahmen bzw. der auszuübenden Tätigkeit besteht. Diesen Zusammenhang hat der BFH in allen in Rz. 134c genannten Fällen bejaht.

Aufwendungen einer angestellten Landschaftsökologin für eine Jägerprüfung sind keine Werbungskosten, wenn der Jagdschein keine unmittelbare Voraussetzung für die Berufsausübung als Landschaftsökologin ist.[15]

 

Rz. 135

Kosten für die Allgemeinbildung, die ein Stpfl. erwirbt, ohne dass dies notwendige Vora...

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