Rz. 40

§ 1 Abs. 3 EStG erfasst natürliche Personen, die im Inland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt haben, also nicht bereits nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt stpfl. sind. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Personen Einkünfte i. S. d. § 49 EStG aus dem Inland beziehen, also ohne die Regelung des § 1 Abs. 3 EStG der beschr. Steuerpflicht unterliegen würden.

Die inländischen Einkünfte gem. § 49 EStG können aus allen Einkunftsarten entstehen; die Regelung ist also nicht auf Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit beschränkt. Ausgenommen sind daher sämtliche Einkünfte des Stpfl., die im Ausland bezogen werden oder auch inländische Einkünfte, die nicht unter § 49 EStG fallen. Die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG umfasst damit nicht das Welteinkommen. Nicht erforderlich ist auch, dass der Stpfl. persönlich im Inland tätig wird. Erfasst werden daher z. B. auch Einkünfte aus Vermietung von im Inland belegenem Grundbesitz.

Im Übrigen bestehen hinsichtlich der nach § 1 Abs. 3 EStG berechtigten Personen keine Einschränkungen; sie brauchen also nicht die Staatsangehörigkeit eines EG- oder EWR-Staates aufzuweisen oder dort ansässig zu sein. Die Staatsangehörigkeit erlangt erst bei der Erweiterung nach § 1a EStG Bedeutung. Dieses Besteuerungswahlrecht eröffnet die Möglichkeit, personen- und familienbezogene Vorteile, die beschr. Stpfl. nicht zustehen, in Anspruch zu nehmen (z. B. Splittingtarif, Sonderausgabenabzug).

Auch hinsichtlich des Staats des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts macht das Gesetz keine Einschränkung. Es braucht sich nicht um einen Anrainerstaat der Bundesrepublik zu handeln; ein physisches "Pendeln" über die Grenze ist nicht erforderlich. Der Stpfl. kann nur dann als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, wenn er einen entsprechenden Antrag für einen bestimmten Vz bei dem nach § 19 Abs. 2 AO zuständigen FA gestellt hat. Zuständig ist das Betriebsstätten-FA des Arbeitgebers.[1] Stellt der Antragsteller in einem Verfahren, das auf Festsetzung des Kindergelds gerichtet ist, dagegen einen "Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG" gegenüber der Familienkasse, wird hierdurch die Rechtsfolge des § 1 Abs. 3 EStG nicht ausgelöst. Der Antrag kann bis Schluss der mündlichen Verhandlung beim FG gestellt werden.

 

Rz. 41

Weitere Voraussetzung der Anwendung des § 1 Abs. 3 EStG ist, dass die Einkünfte des Stpfl. mindestens zu 90 % der deutschen Steuer unterliegen (relative Wesentlichkeitsgrenze) oder, wenn dies nicht der Fall ist (d. h. die der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte weniger als 90 % der Gesamteinkünfte des Stpfl. betragen), die nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte einen bestimmten Betrag im Kj. nicht übersteigen (absolute Wesentlichkeitsgrenze). Wird der Betrag überschritten, wird angenommen, dass die personen- und familienbezogenen Entlastungen, die im Inland unbeschränkt Stpfl. gewährt werden, durch den Wohnsitzstaat berücksichtigt werden.[2] Dieser Betrag, der sich an dem Grundfreibetrag der Grundtabelle orientiert, war bis Vz 2007 als absoluter Betrag angegeben.

Mit Wirkung ab Vz 2008 wurde der absolute Betrag durch eine dynamische Verweisung auf den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 EStG ersetzt. Im Vz 2008 durften die Einkünfte den Betrag von 7.664 EUR nicht überschreiten. Der Betrag ist seit dem regelmäßig erhöht worden. Er beträgt für den Vz 2021: 9.744 EUR.

Der EuGH[3] sieht diese Regelung als mit der Grundfreiheit der Freizügigkeit (Art. 45 AEUV) vereinbar an.

Die vorgenannten Regelungen werden in § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG in der Weise ergänzt, dass soweit die Voraussetzungen vorliegen, bei Anwendung des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG (relative und absolute Wesentlichkeitsgrenze) auf die Einkünfte beider Ehepartner abzustellen sowie der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 zu verdoppeln ist (§ 1a EStG Rz. 30ff.). Der Betrag der absoluten Wesentlichkeitsgrenze ist erforderlichenfalls entsprechend der Lebensverhältnisse des Wohnsitzstaats auf das Notwendige und Angemessene zu kürzen; Maßstab ist eine Kaufkraft in dem Wohnsitzstaat, der einer inländischen Kaufkraft bzw. dem jeweils geltenden Grundfreibetrag entspricht. Der konkrete Kürzungsanteil (1/4, 2/4, 3/4) ergibt sich aus der jeweiligen Ländergruppeneinteilung der Finanzverwaltung.[4]

 

Rz. 42

Unter "Einkünften" sind alle Einkünfte zu verstehen, nicht nur solche aus nichtselbstständiger Arbeit. Diese Regelung über die Einkünfte soll sicherstellen, dass § 1 Abs. 3 EStG nur anwendbar ist, wenn der Stpfl. seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen durch im Inland erzielte Einkünfte bestreitet, wobei ausl. Einkünfte von bis zu 10 % der Gesamteinkünfte oder bis zu dem genannten Höchstbetrag nicht schaden.

Der Begriff der Einkünfte richtet sich nach § 2 Abs. 1, 2 EStG und ist nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln.[5] Diese Regelung gilt bei der Ermittlung des Prozentsatzes der inländischen Einkünfte sowohl für die inländischen Einkünfte wie für die Gesamteinkünfte. Damit sind Einkünfte einzubeziehen, ...

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