Kommentar

Der Unternehmer kann einen der in § 9 UStG genannten steuerfreien Umsätze als steuerpflichtig behandeln, also zur Steuerpflicht optieren. Dies geschieht dadurch, daß er den Umsatz dem Leistungsempfänger unter besonderem Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnung stellt. Fraglich war, ob der Verzicht auf die Steuerbefreiung auch in anderer Weise erfolgen kann ( Rechnungen/Gutschriften ; Option ).

Praxis-Beispiel

Beispiel: Der Zwangsverwalter eines Grundstücks hatte ein Grundstück an eine GmbH für eine Jahresmiete „plus jeweils gültiger Mehrwertsteuer” vermietet. Die zuzüglich Umsatzsteuer vereinnahmte Miete führte der Zwangsverwalter an die Grundpfandgläubiger vollumfänglich ab. Die Umsatzsteuer wurde folglich nicht dem Finanzamt abgeführt. Nach Beendigung der Zwangsverwaltung erteilte der Zwangsverwalter der GmbH auf deren Bitten um einen zum Vorsteuerabzug berechtigenden Beleg zwei Rechnungen, in denen er als damaliger Zwangsverwalter die Miete für die abgelaufenen Kalenderjahre berechnete und dabei die auf die Miete entfallende Umsatzsteuer betragsmäßig offen auswies.

Das Finanzamt nahm den ehemaligen Zwangsverwalter unter Bezugnahme auf die Rechnungen gem. § 14 Abs. 3 UStG in Anspruch, weil dieser nicht mehr berechtigt sei, Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis zu erstellen. Erst mit der Erteilung eines Abrechnungspapiers mit offenem Umsatzsteuerausweis habe der ehemalige Zwangsverwalter auf die Umsatzsteuerbefreiung verzichtet. Zu diesem Zeitpunkt war er aber nicht mehr Zwangsverwalter. Das Abrechnungspapier sei deshalb unberechtigt erfolgt. Der BFH entschied, daß der Verzicht auf eine Steuerbefreiung auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden kann, soweit aus den Erklärungen und sonstigen Verlautbarungen, in die das gesamte Verhalten einzubeziehen ist, der Wille zum Verzicht eindeutig hervorgeht. Die Umstände sprechen dafür, daß der Zwangsverwalter auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze verzichtet hat. Denn bereits in dem Mietvertrag wurde eine Jahresmiete plus jeweils gültiger Mehrwertsteuer vereinbart, und dementsprechend entrichtete die GmbH die monatliche Miete auch zuzüglich der Mehrwertsteuer, ohne daß sich der Zwangsverwalter dem widersetzt hätte.

Der Umstand, daß er die vereinnahmte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführte, beruhte nicht auf einer unterbliebenen Option, sondern allein darauf, daß er sich verpflichtet glaubte, die gesamten Einnahmen an die Gläubiger abführen zu müssen. Da der Zwangsverwalter noch zu der Zeit zur Umsatzsteuer optiert hatte, als er Zwangsverwalter war, war er berechtigt, im Nachgang zu seinen Pflichten für die damalige Vermietung noch eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis auszustellen. Die bewirkten steuerpflichtigen Vermietungsumsätze waren folglich dem Inhaber der Vermögensmasse zuzurechnen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.07.1997, XI R 94/96

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