Rz. 57

Eine mögliche Einbeziehung der Zweckgesellschaft in den Konsolidierungskreis des Originators oder eines verbundenen Unternehmens regelt § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB. Danach liegt ein beherrschender Einfluss des Mutterunternehmens vor, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Mehrheit der Risiken und Chancen eines Unternehmens trägt. Das Unternehmen hat den Zweck, dass ein eng begrenztes und genau definiertes Ziel des Mutterunternehmens erreicht wird (Zweckgesellschaft). Somit muss zuerst geprüft werden, ob eine Zweckgesellschaft vorliegt. Danach ist zu entscheiden, ob die Mehrheit der Chancen und Risiken auf die Muttergesellschaft übergegangen sind.

Bei der Beurteilung, ob die Mehrheit der Risiken und Chancen auf das Mutterunternehmen übergegangen sind, hat sich der Gesetzgeber an die Regelungen von IAS 27 und SIC 12 weitgehend angelehnt. Diese wurden von IFRS 10 ersetzt. Jedoch gilt die Orientierung am Risiko- und Chancen-Ansatz weiter, obwohl IFRS 10 das Prinzip der Beherrschung in den Vordergrund stellt.[1] In DRS 19.37 ff. sind genauere Erläuterungen zur Konsolidierungspflicht von Zweckgesellschaften enthalten. So wird auch in den Beispielen für Zweckgesellschaften das Verbriefungsvehikel genannt (DRS 19.41). Tendenziell ist bei einer ABS-Konstruktion davon auszugehen, dass es sich um eine Zweckgesellschaft handelt. Wie bei der Bilanzierung der ABS-Transaktion im Einzelabschluss sind auch bei der Beurteilung der Konsolidierungspflicht letztendlich wieder die Ausgestaltungen der Credit Enhancements ausschlaggebend. Dabei kommt es auf die konkrete Strukturierung an. Somit ist vor allem die Verteilung der Risiken und Chancen entscheidend.

DRS 19.51 definiert die Risiken als dem Grunde und der Höhe nach unsichere negative finanzielle Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns, die sich aus der Geschäftstätigkeit der Zweckgesellschaft oder aus Beziehungen des Mutterunternehmens zu dieser ergaben. Als Beispiele sind Verlustübernahmen, Verlust von Einlagen, Ausfall von Darlehen, Inanspruchnahme von Bürgschaften, Patronatserklärungen, sonstige Bonitäts- oder Ertragsgarantien, Stillhalterverpflichtungen sowie nicht marktübliche Konditionen genannt. Die Chancendefinition ist spiegelbildlich (DRS 19.52). Wichtig ist, dass die Basis für die Ermittlung der Mehrheit der Risiken und Chancen die Gesamtheit der den beteiligten Parteien aus den Geschäfts- bzw. Vertragsbeziehungen mit der Zweckgesellschaft entstehenden Risiken und Chancen ist. Risiken und Chancen, die bereits realisiert wurden, bleiben dabei unberücksichtigt. Dazu gehören auch Risiken in Form von Kaufpreisabschlägen beim Ankauf von Forderungen (DRS 19.55). Bei asymmetrischer Verteilung der Risiken und Chancen kommt es vor allem auf die Verteilung der Risiken an (DRS 19.61).

Multi-Seller-Programme (auch Multi-Seller-Conduit), bei denen mehrere Originatoren eine Zweckgesellschaft gemeinsam nutzen, vermeiden die Konsolidierungspflicht nicht im Grundsatz.[2] Hier ist bei der Risiken- und Chancen-Beurteilung auf die einzelne Zelle abzustellen, wenn diese für das einzelne Unternehmen identifizierbar und abgrenzbar ist.[3]

 

Rz. 58

Ergänzend zu den Regelungen des DRS 19 können die Regelungen des SIC-12 herangezogen werden, obwohl dieser durch IFRS 10 ersetzt wurde, da dies ausdrücklich in der Gesetzesbegründung so genannt wurde.[4]

Gemäß SIC-12.8 sind die wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen Originator und Zweckgesellschaft für eine Einbeziehung in den Konzernabschluss entscheidend. SIC-12.9 stellt noch einmal klar, dass eine Beherrschung auch vorliegen kann, wenn das veräußernde Unternehmen wenig oder kein Eigenkapital an der Zweckgesellschaft hält. SIC-12.10 gibt zusätzlich noch weitere Beispiele, nach denen eine Zweckgesellschaft zu konsolidieren ist:

  • Die Zweckgesellschaft ist auf die besonderen Geschäftsbedürfnisse des Originators abgestimmt.
  • Der Originator hat Entscheidungsmacht über die Zweckgesellschaft.
  • Der Veräußerer zieht den überwiegenden Teil des Nutzens bzw. ist den Risiken der Zweckgesellschaft ausgesetzt.
  • Der Originator trägt den Großteil der Residual- und Eigentumsrisiken der Zweckgesellschaft zur Nutzenerzielung.

Ausschlaggebend ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Die Merkmale sind nicht kumulativ zu erfüllen.

Die Kriterien der Abstimmung der Zweckgesellschaft auf die besonderen Bedürfnisse des Originators sowie das Verfügen über die Entscheidungsmacht über die Zweckgesellschaft sind für ABS-Transaktionen nur bedingt zur Einstufung der Konsolidierungspflicht geeignet.[5] Vorteile, die aus einer günstigeren Finanzierung aufgrund verbesserter Bilanzrelationen im Rahmen einer ABS-Transaktion resultieren, spielen jedoch keine Rolle.[6] Obwohl im Anhang zu SIC-12 die Zweckgesellschaft, die hauptsächlich der Erschließung langfristiger Finanzierungsquellen dient, als schädlich für eine Nichtkonsolidierung angesehen wird, erscheint diese Auslegung zur Konsolidierungspflicht als zu streng. Gerade das Kennzeichen des Ab...

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