Rz. 27

Durch einen Kaufvertrag erhält der Verkäufer den Anspruch auf den vereinbarten Kaufpreis,[1] durch einen Werkvertrag bekommt der Hersteller den Anspruch auf die vereinbarte Vergütung.[2] Ein Mietvertrag gewährt dem Vermieter den Anspruch auf den vereinbarten Mietzins.[3]

Gleichzeitig ist der Verkäufer verpflichtet, die verkaufte Sache zu übergeben und dem Käufer das Eigentum zu verschaffen,[4] muss der Unternehmer das versprochene Werk herstellen,[5] hat der Vermieter dem Mieter während der Mietzeit den Gebrauch der vermieteten Sache zu gewähren.[6]

Rechte und Pflichten der zur Leistung verpflichteten Unternehmer gleichen sich gundsätzlich aus. Solange sich aus einem Rechtsverhältnis Anspruch und Verpflichtung die Waage halten, handelt es sich um ein schwebendes Geschäft. Ansprüche aus schwebenden Geschäften werden noch nicht als Forderungen ausgewiesen.

Zivilrechtlich ist bei einem schwebenden Geschäft der Anspruch auf den Kaufpreis, den Werklohn oder den Mietzins nicht durchsetzbar. Der Vertragspartner kann die geschuldete Leistung verweigern, bis der Unternehmer geleistet hat.[7] Der Unternehmer kann gegen den Schuldner nur ein Urteil erwirken, das dessen Verpflichtung zur Leistung Zug um Zug gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung ausspricht.[8]

Bis zum Umsatz werden die Vermögensgegenstände des Unternehmens, zu deren Lieferung oder Leistung es sich verpflichtet hat, mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet. Durch den Umsatz erhält das Unternehmen anstelle der abgegebenen Leistung einen Geldbetrag, einen Scheck, eine Bankgutschrift oder eine Forderung. Auf der anderen Seite verlässt die Leistung das Unternehmen in Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu Lasten des Aufwands. In Höhe der Differenz zwischen dem gebuchten Aufwand und dem gebuchten Ertrag erfolgt also ein Wertsprung. Hierdurch realisiert sich ein positiver oder negativer Erfolg.[9]

 

Rz. 28

Es ist also erst im Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung der Erfolg realisiert. Dieser Grundsatz heißt Realisationsprinzip. Er ist gesetzlich in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB festgelegt: Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschluss-Stichtag realisiert sind.

Realisiert ist der Erfolg und damit dann die Forderung auszuweisen, wenn der zur Lieferung oder Leistung Verpflichtete seine Leistung im Wesentlichen vertragsgemäß erfüllt hat, d. h. beispielsweise wenn ein Gefahrübergang stattgefunden hat. Das ist auch der Fall, wenn nur noch unwesentliche Nebenleistungen ausstehen. Ist der Lieferer zur Verschaffung des Eigentums verpflichtet, so reicht in der Regel die Verschaffung wirtschaftlichen Eigentums aus.

 

Rz. 29

Es entspricht kaufmännischer Übung, den Gewinn im Zeitpunkt der Rechnungserteilung auszuweisen. Durch eine verspätete Rechnungserteilung darf aber der Gewinnausweis nicht hinausgeschoben werden. Wird die Rechnung daher verspätet ausgestellt, so ist die Forderung mit Gewinnausweis zu aktivieren, wenn die Leistung, bis auf eventuell noch ausstehende Nebenleistungen, erbracht ist und, bei einem Werkvertrag, vom Empfänger abgenommen worden ist. Nicht erforderlich für ihre Aktivierung ist, dass die Forderung fällig ist.[10]

Vom Realisationsprinzip darf auch dann nicht abgewichen werden, wenn das Unternehmen lieferbereit und lieferberechtigt, der Empfänger auch abnahmebereit ist, die Lieferung aber aus besonderen Umständen, die der Lieferant nicht zu vertreten hat, nicht erfolgen kann.

 
Praxis-Beispiel

Ein Automobilwerk kann an bestimmte Abnehmer fest verkaufte Pkw, die versandfertig auf seinem Fabrikhof lagern, nicht ausliefern, weil ein allgemeiner Streik der Transportarbeiter ausgebrochen ist.

Sind Erzeugnisse auslieferungsfähig, sind es fertige Erzeugnisse. Die Auslieferungsfähigkeit gehört also zu einer bestimmten Produktionsstufe. Sie gehört zur Herstellung und ist daher nicht Teil des Absatzgeschäfts. Der Erfolg ist also noch nicht realisiert. Auch wenn in aufeinander folgenden Geschäftsjahren die versandfertigen Bestände der Höhe nach wegen außergewöhnlicher Umstände erheblich voneinander abweichen, darf das nicht zu einem vom Realisationsprinzip abweichenden Gewinnausweis führen. Ist die Vergleichbarkeit der aufeinander folgenden Jahresergebnisse gestört, ist die Ursache der Abweichung im Anhang oder in einem Vermerk zur Bilanz darzulegen.

Bei Forderungen aus Verträgen sind folgende Realisationszeitpunkte zu unterscheiden:

  • Kaufvertrag und Werklieferungsvertrag: Einigung über den Eigentumsübergang und Übergabe der Sache an den Käufer.[11]
  • Versendungskauf: Übergabe an den Spediteur, Frachtführer oder die sonst zur Ausführung der Versendung bestimmte Person oder Anstalt (§ 446).
  • Annahmeverzug oder Abholungsverpflichtung des Käufers: Versandbereitschaft.[12]
  • Werkvertrag: Abnahme, d. h. Anerkennung der vertragsgemäßen Herstellung. Ist das Werk vertragsgemäß hergestellt und nach der Beschaffenheit die Abnahme ausgeschlossen,[13] genügt die vertragsgemäße Herstellung. Bei Abnahmeverzug kann der Unternehmer Schadenersatz wegen Nic...

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