Leitsatz

In die Prüfung der Einkunftsgrenzen nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG sind auch die der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitaleinkünfte einzubeziehen.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3, § 1a Abs. 1 Nr. 2, § 2 Abs. 5b, § 32b Abs. 1, § 46 Abs. 2 Nr. 8, § 50 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 und 4 EStG 2009

 

Sachverhalt

Der verheirate Kläger wohnte im Streitjahr (2009) mit seiner Ehefrau in Belgien. Beide waren im Inland als Arbeitnehmer beschäftigt. Das für die inländischen Arbeitgeber zuständige Betriebsstätten-FA erteilte den Eheleuten gemäß § 39c Abs. 4 EStG jeweils eine Bescheinigung, der zufolge sie nach § 1 Abs. 3 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und die Lohnsteuer für den Kläger nach Steuerklasse III sowie für die Ehefrau nach Steuerklasse V einzubehalten ist.

Der Kläger wurde als beschränkt Steuerpflichtiger zur ESt veranlagt. Dabei setzte das FA Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit i.H.v. 140.604 EUR sowie Einkünfte aus der Vermietung eines im Inland belegenen Hauses i.H.v. 7.294 EUR an. Bereits zuvor hatte das FA gegenüber der Ehefrau – ebenfalls unter der Annahme einer beschränkten ESt-Pflicht – die ESt für die von ihr im Inland erzielten Lohneinkünfte (15.472 EUR) auf 899 EUR festgesetzt.

Der Einspruch des Klägers gegen den Bescheid war zunächst nur auf die Berücksichtigung der ungekürzten Vorsorgepauschale gerichtet. Während des Einspruchsverfahrens erklärte der Kläger, im Streitjahr inländische Gewinnausschüttungen i.H.v. 142.000 EUR sowie Zinsen i.H.v. rd. 1.000 EUR erhalten zu haben. Das FA hat daraufhin mit geändertem Bescheid zum einen die Vorsorgepauschale in der beantragten Höhe gemäß § 10c Abs. 2 EStG gewährt, zum anderen jedoch die steuerpflichtigen Inlandseinkünfte (Arbeitslohn abzgl. Verlust aus Vermietung und Verpachtung) mit Rücksicht auf die nach dem DBA-Belgien im Wohnsitzstaat steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG unterworfen.

Der Kläger hat sodann unter Vorlage einer auch von der Ehefrau unterzeichneten Einverständniserklärung die Zusammenveranlagung zur ESt beantragt und hierbei die Ansicht vertreten, dass die der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitaleinkünfte nach § 2 Abs. 5b EStG nicht bei der Prüfung der Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG zu berücksichtigen seien.

Das FA lehnte die Zusammenveranlagung ab, weil nach § 1 Abs. 3 EStG von den Welteinkünften des Klägers auszugehen sei und hierzu auch die in Belgien steuerpflichtigen Kapitalerträge gehörten, da sie dort nicht der Abgeltungsteuer unterlägen.

Mit der Klage hat der Kläger die Verpflichtung des FA begehrt, ihn mit der Ehefrau zusammen zur ESt zu veranlagen, hilfsweise bei der Veranlagung als beschränkt Steuerpflichtiger die von ihm erzielten Kapitaleinkünfte nicht im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Das FG hat nur Letzterem entsprochen und ist hierbei davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Antrag auf Veranlagung zur ESt nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b i.V.m. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gestellt hat (FG Köln, Urteil vom 22.1.2014, 4 K 2001/13, Haufe-Index 6542411, EFG 2014, 766).

 

Entscheidung

Der BFH gab weder dem Kläger noch dem FA mit ihren jeweils erhobenen Revisionen recht:

Der Kläger und EF hätten die Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 Satz 3 EStG nicht gewahrt. Denn die vom Kläger im Streitjahr erzielten Kapitalerträge, insbesondere also seine inländischen Dividendenerträge i.H.v. 142.000 EUR, seien hierin einzubeziehen. Da die Dividenden in Belgien als Ansässigkeitsstaat des Klägers besteuert werden könnten (Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 DBA-Belgien) und in Deutschland als Ansässigkeitsstaat der zahlenden Kapitalgesellschaften nur einem auf 15 % ihres Bruttobetrags beschränkten Quellenbesteuerungsrecht unterworfen seien (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA‐Belgien), gälten die Dividenden im Rahmen der Prüfung der Einkunftsgrenzen (Wesentlichkeitsgrenzen) nach § 1 Abs. 3 Satz 3 EStG als nicht der deutschen ESt unterliegend. Folge hiervon sei, dass die von dem Kläger und EF insgesamt bezogenen (Welt-)Einkünfte nicht i.S.d. relativen Wesentlichkeitsgrenze zu mindestens 90 % der deutschen ESt unterlägen; zudem überschritten die der belgischen ESt unterliegenden Einkünfte i.S.d. absoluten Wesentlichkeitsgrenze den doppelten Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG: 2 x 7.834 EUR).

Und das FA unterliege, weil eine Steuersatzerhöhung nach § 32b Abs. 1 Satz 1, erster und zweiter Satzteil EStG tatbestandlich erfordere, dass der Steuerpflichtige entweder unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei oder unter Anwendung des § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG – d.h. aufgrund eines Eintrags nach § 39d Abs. 2 EStG (Buchst. a) oder aufgrund eines vom Steuerpflichtigen gestellten Antrags (Buchst. b) – als beschränkt Steuerpflichtiger zur ESt veranlagt werde. Keine dieser Voraussetzungen sei vorliegend jedoch gegeben.

 

Hinweis

1. Erst soeben – im Urteil vom 1.10.2015, I R 18/13 (BFH/NV 2015, 387, ...

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