Entscheidungsstichwort (Thema)

Drittwirkung der Steuerfestsetzung im Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach § 166 AO erstreckt sich auf einen Geschäftsführer einer GmbH als Haftungsschuldner, der nach Anmeldung der Umsatzsteuerforderung durch das des Finanzamts zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren keinen Widerspruch erhoben hat, auch wenn er die Umsatzsteuerfestsetzungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Einspruch angefochten hat.

 

Normenkette

AO § 166, AO § 69, AO § 34, AO § 191; InsO § 178 Abs. 1 S. 2, InsO § 178 Abs. 3, InsO § 201 Abs. 2 S. 1; UStG § 6a Abs. 3; UStDV § 17a, UStDV § 17c

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 23.09.2014; Aktenzeichen XI B 40/14)

 

Tatbestand

Strittig ist ein Haftungsbescheid.

Der Kläger ist Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der T GmbH. Die GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1999 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Groß– und Einzelhandel von Unterhaltungselektronik, der Im- und Export von Waren aller Art sowie Internetmarketing und Werbung.

Im Herbst des Jahres 2009 fand bei der GmbH eine Steuerfahndungsprüfung auf Grund eines Auskunftsersuchens der französischen Steuerverwaltung statt. Die Prüfung bezog sich auf die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen an die V SARL und an die C SARL in Frankreich. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung hatte die GmbH Lieferungen an die beiden vorgenannten französischen Firmen im Zeitraum von November 2008 bis Dezember 2008 in Höhe von insgesamt 218.758 € und im Zeitraum vom Januar bis Mai 2009 mit einem Gesamtbetrag von 153.772 € als innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerfrei belassen. Nach Auffassung der Steuerfahndung war allerdings wegen fehlerhaften Buch- und Belegnachweises die Steuerfreiheit für die Lieferungen zu versagen. (Kurzberichte vom 15. Dezember 2009 und 9. November 2009, Blatt 3ff der Haftungsakte Fach Einsprüche Umsatzsteuervoranmeldungen).

Der Beklagte folgte der Auffassung der Steuerfahndung und änderte die Umsatzsteuervorauszahlungsfestsetzungen für Dezember 2008 und für März 2009 mit Bescheiden vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 entsprechend. Hiergegen legte die GmbH am 26. Januar 2010 Einspruch ein.

Mit Schreiben vom 3. März 2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er wegen rückständiger Umsatzsteuern und zugehörigen Säumniszuschlägen der GmbH in Höhe von derzeit insgesamt 73.269 € hafte. Der Kläger wurde aufgefordert, die zur Ermittlung einer Tilgungsquote für den Haftungszeitraum vom 10. Januar 2009 bis 19. Mai 2010 erforderlichen Angaben zu machen. Am 31. März 2010 wurde im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Mit Haftungsbescheid vom 19. April 2010 wurde der Kläger für die Steuerrückstände der GmbH mit einer geschätzten Tilgungsquote von 80% in Höhe von 63.624 € in Haftung genommen. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 12. Mai 2010 mit Hinweis auf die Begründung der Einsprüche der GmbH gegen die Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 2008 und März 2009 Einspruch ein.

Mit Schreiben vom 4. März 2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, es fehle bereits an einem Nachweis, dass die GmbH die Kaufverträge mit den französischen Gesellschaften C SARL und V SARL abgeschlossen habe, weil der angebliche Abholer, Herr C, nicht als Beauftragter/Vertretungsberechtigter der Abnehmerfirmen identifizierbar sei. Weiter sei auch nicht nachgewiesen, dass die angeblichen Abnehmer die Liefergegenstände nach Frankreich befördert oder versendet hätten.

Am 30. März 2010 beantragte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beim Amtsgericht (Blatt 1 der Insolvenzverfahrensakte 7a IN .../10). Mit Beschluss vom 31. März 2010 ordnete das Amtsgericht die Sequestration an (Blatt 12 der Insolvenzverfahrensakte). Mit Beschluss vom 12. Mai 2010 ermächtigte das Amtsgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter, die arbeitsrechtliche Kündigung des Klägers als Geschäftsführer zur Vermeidung unnötiger Masseverbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung auszusprechen (Blatt 39 der Insolvenzverfahrensakte). Am gleichen Tage kündigte der vorläufige Insolvenzverwalter dem Kläger (Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010, Blatt 115, 120 Insolvenzverfahrensakte). Der Kläger wurde vom Insolvenzgericht weiterhin als Vertreter der GmbH über den Gang des Insolvenzverfahrens informiert (vgl. Blatt 66, 110, 158, 177 der Insolvenzverfahrensakte). Am 19. Mai 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet (Blatt 63 der Insolvenzverfahrensakte).

Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 beliefen sich offene Forderungen der GmbH auf insgesamt ca. 206.000 €, von denen Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft seien. Die Endkunden hätten überwiegend per Vorkasse gezahlt und Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € geleistet, ohne dass die GmbH die Ware ve...

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