rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Entwicklung komplexer Anwendungssoftware als freiberufliche Einkünfte beim Diplom-Informatiker

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Diplom-Informatiker, der komplexe Anwendungssoftware im betrieblich-technischen Bereich (Ausnahme Trivialsoftware) entwickelt, hat Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Er übt eine dem Ingenieur ähnliche Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus, denn die Entwicklung von Anwendungssoftware ist seit Beginn der 90iger Jahre fester Bestandteil der Ausbildung und Tätigkeit von Ingenieuren.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1 S. 2; EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob es sich bei den Einkünften des Klägers um solche aus freiberuflicher Tätigkeit oder Gewerbebetrieb handelt.

Der Kläger studierte an der Fachhochschule für Technik in ... das Fach Informatik und schloss dieses 1991 mit dem Grad Diplom-Informatiker FH ab. Seinen eigenen Angaben zufolge schlug er während seines Studiums von 1986 bis 1990 den Bereich der technisch orientierten Informatik ein. Studienbegleitend arbeitete er als Systemprogrammierer an folgenden Projekten:

- 1986

Pflege und Weiterentwicklung einer kaufmännischen Software für Installationsbetriebe

- 1987

Analysesoftware und Messdatenverarbeitung von Versuchsergebnissen eines Blutanalysegeräts mit Datenannahme über die Druckerschnittstelle und den Entwurf einer Implementierung von Softwaremodulen für Maschinensteuerungen

- 1988 - 1990

Realisierung einer Hardwareschnittstelle zum Pendelschlagwerk, Entwurf, Implementierung, Wartung, Inbetriebnahme und Service einer Software zur Steuerung, Datenverarbeitungs- und Analyse von Kerbschlagbiegeversuchen mit Pendelschlagwerken

Von 1991 bis 1993 war er im Rahmen verschiedener Aufträge sowohl als Anwendungsprogrammierer als auch als Systemprogrammierer tätig.

Ab dem Streitjahr 1994 bis zum November 1997 arbeitete der Kläger als selbständiger Informatiker an einem Projekt für die Firma ... AG ..., welches die Automatisierung der Qualitätskontrolle von großen Druckmaschinen zum Ziel hatte. Er war hierbei als Subunternehmer für die Fa. ... GmbH in ... tätig geworden. Die ... GmbH entwickelte ihrerseits für die ... (Auftraggeber) eine Software für Druckereimaschinen mit der internen Bezeichnung ... Grundlage für die Entwicklung war das vom Kläger vorgelegte Lastenheft vom 31. 3. 1994, nach dem der Auftrag sich folgendermaßen darstellte:

Mit Hilfe des Programms ... sollte von einer Bedienstation (Bedien / Display-Rechner = BDR) aus eine ständige Messung und Regelung der Druckqualität von Druckmaschinen während der Produktion ermöglicht werden. Der „BDR“ war dabei über eine Vorverarbeitungseinheit (VVE) mit einem „Embedded Controller“ (EC) mit den Messgeräten verbunden. Von dem BDR aus sollten die Druckmaschinen automatisch oder manuell gesteuert werden können. Damit war eine sofortige Reaktion auf die Ergebnisse der Qualitätsmessungen möglich. Nach dem Lastenheft war die einzusetzende Hardware von der ... vorgegeben. Die Messgeräte und die Kommunikation zwischen dem EC und der BDR sollten von einem externen Entwickler für die ... entwickelt und bereitgestellt werden.

Für die Software ... war von der ... eine Unterteilung in 3 Ebenen vorgesehen:

  1. Benutzeroberfläche (Bedienoberfläche)
  2. Anwendungsebene
  3. Treiberebene

Aufgrund der vom Kläger für das Jahr 1994 eingereichten Gewerbesteuererklärung wurde vom Beklagten durch Bescheid vom 23. September 1996 ein Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr 1994 festgesetzt. Hiergegen legte der Kläger am 25. Oktober 1996 Einspruch ein und machte geltend, einen freien Beruf im Sinne des § 18 EStG auszuüben, da er über eine einem Ingenieurstudium entsprechende Ausbildung verfüge und seine Tätigkeit ingenieurähnlich sei.

Der Beklagte legte im Einspruchsverfahren das vorgenannte Lastenheft dem für die EDV zuständigen Referat bei der Oberfinanzdirektion Koblenz (ZDF’in) zur Begutachtung darüber vor, welche Art der Software (System. oder Anwendungssoftware) der Kläger entwickelt hatte.

Nach der Stellungnahme der OFD (ZDF’in) vom 3. Juni 1997 war nach dem Gesamtbild und der Untersuchung der einzelnen Teile die vom Kläger zu erstellende Software insgesamt als Anwendungssoftware angesehen worden.

Eine weitere Stellungnahme der OFD vom 13. April 1999 modifizierte die Erstaussage vom 3. Juni 1997 insoweit, als dass es entscheidend darauf ankomme, ob die Softwaremodule für die Verfahrenstechnik vom Steuerpflichtigen selbst oder vom Auftraggeber entwickelt worden seien. Insoweit würden sich die Gegenvorstellung des Steuerpflichtigen und das vorgelegte Lastenheft widersprechen. Bei der Parameterliste für ... im Rahmen der „Softwaremodule für Verfahrenstechnik / Regelmodul“ ging die Stellungnahme der OFD von Systemsoftware aus. Insgesamt schätzte sie einen mindestens 50 %-igen Anteil an Systemsoftware.

Zur Klärung der Frage, ob der Kläger die Softwaremodule für die Verfahrenstechnik selbst entwickelte oder diese durch den Auftraggeber bereitgestellt wurden, hörte d...

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