Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzugsfähigkeit vorweggenommener Werbungskosten in einem nicht ausgeübten Beruf

 

Leitsatz (redaktionell)

Aufwendungen einer Industriekauffrau zwecks Ablegung der Fahrlehrerprüfung sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 S. 1, § 19

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.12.2002; Aktenzeichen VI R 120/01)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen zwecks Ablegung der Fahrlehrerprüfung Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind.

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt als Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Klägerin hat den Beruf des Industriekaufmanns erlernt. Sie war bis 1977 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Danach war sie nicht mehr berufstätig. Vom 2. Februar 1995 bis 31. Mai 1995 sowie in der Zeit vom 1. Juni bis 18. September 1995 absolvierte sie einen Lehrgang, u. a. an der Fahrlehrerakademie in ..., einer amtlich anerkannten Fahrlehrerausbildungsstätte; die Prüfung als Fahrlehrerin legte sie gegen Ende Oktober 1995 ab. Seit dem 1. November 1995 ist sie als angestellte Fahrlehrerin beschäftigt.

In der Einkommensteuererklärung 1995 machte die Klägerin die folgenden Aufwendungen für ihre Fahrlehrerausbildung als Fortbildungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend:

Semester- und Kursgebühren

11.290,-- DM

Lehrmaterial

436,80 DM

Fahrtkosten

9.016,80 DM

Verpflegungsmehraufwendungen

2.496,-- DM

------------

Gesamtbetrag

23.239,60 DM

Der Beklagte erkannte die beantragten Werbungskosten der Klägerin nicht an; es handele sich um Berufsausbildungskosten. Er berücksichtigte lediglich den Höchstbetrag von 900,-- DM als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Der Einspruch hiergegen hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage tragen die Kläger vor, die Klägerin habe den Beruf des Industriekaufmanns erlernt. Sie sei bis 1977 als kaufmännische Angestellte beim Amt für Verteidigungslasten beschäftigt gewesen. Danach sei sie arbeitslos gewesen. Aufgrund der geänderten Arbeitsmarktsituation sei sie weder als Industriekaufmann noch als kaufmännische Angestellte zu vermitteln gewesen. Um am Arbeitsmarkt eine Chance zu erhalten, hätten sich zwei Alternativen ergeben, nämlich entweder eine Umschulung mit Berufswechsel oder eine Weiterqualifizierung aufbauend auf dem bisherigen Ausbildungsstand. Die Klägerin habe sich für den Weg der Weiterqualifizierung entschieden. Entscheidungsrelevant sei dabei die in Aussicht stehende Anstellung gewesen, verbunden mit einer relativ sicheren künftigen Beschäftigung. Die aufzubringenden Aufwendungen, zweifelsohne erheblichen Umfangs, seien nur im Hinblick auf künftige Einnahmen sinnvoll und vor allem finanzierbar gewesen. Nach Ablegung der Prüfung sei die Klägerin unmittelbar als angestellte Fahrlehrerin beschäftigt worden. Sie betreibe nunmehr eine eigene Fahrschule und erziele somit Einkünfte aus selbständiger Arbeit; für die dazu erforderliche Fahrschulerlaubnis sei die hauptberufliche Tätigkeit als angestellte Fahrlehrerin Voraussetzung gewesen. Den Lehrgang zur Qualifizierung als Fahrlehrerin habe die Klägerin vom 2. Februar bis 31. Mai sowie vom 1. Juni bis 18. September 1995 absolviert. Der Lehrgang habe auf den Hauptschulabschluss und einer abgeschlossenen Berufsausbildung in einem anerkannten Lehrberuf aufgebaut. Die Klägerin habe eine Prüfung vor der Bezirksregierung ... ablegen müssen. Der Termin für den schriftlichen Teil sei der 19. September 1995 gewesen, die praktische Prüfung sei am 6. Oktober 1995 und der mündliche Prüfungsteil am 24. Oktober 1995 abgenommen worden. Unmittelbar nach Ablegung der Prüfung, mit Wirkung 1. November 1995, sei die Klägerin als Fahrlehrerin angestellt worden und habe sodann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt.

Das Klageziel, die Aufwendungen der Klägerin für den Lehrgang als Fahrlehrerin als vorab entstandene Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen, stütze sich auf das BFH-Urteil vom 18. April 1996 (VI R 5/95). - Die Klägerin habe durch ihre vorhergehende abgeschlossene Berufsausbildung einen beruflichen Ausbildungsstand erreicht, der es ihr grundsätzlich ermöglicht habe, einer Berufstätigkeit nachzugehen; dieser bereits erreichte berufliche Ausbildungsstand habe zudem die Grundlage dargestellt, sich in verschiedenen praktizierbaren Berufen weiter zu spezialisieren und sei eine Voraussetzung für den absolvierten Lehrgang und die folgende Prüfung gewesen. Bei dem Lehrgang habe es sich weder um ein Studium gehandelt, noch habe er in einer allgemeinbildenden Einrichtung stattgefunden. Die Klägerin habe keine andere berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung, sondern eine höherwertige Befähigung gegenüber ihrem bisherigen Ausbildungsstand angestrebt.

In einem früheren BFH-Urteil (vom 23. August 1979, BStBl II 1979, 773) sei bei einem zweijährigen Ganztagsstudium an dem Institut ...

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