Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersatzlose Ausbuchung endgültig wertlos gewordener Aktien als einkommensteuerlich berücksichtigungsfähiger Verlust aus Kapitalvermögen

 

Leitsatz (amtlich)

Die ersatzlose Ausbuchung endgültig wertlos gewordener Aktien durch die das Depot führende Bank führt zu einem einkommensteuerlich berücksichtigungsfähigen Verlust aus Kapitalvermögen.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 2 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 01.07.2021; Aktenzeichen VIII R 5/19)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Ausbuchung von wertlosen Aktien zu einem steuerlich berücksichtigungsfähigen Verlust aus Kapitalvermögen führt.

Der Kläger, der mit der Klägerin, seiner Ehefrau, zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wird, hatte im Januar 2010 in zwei Tranchen 10.000 Stück Aktien der X Company (im Folgenden: X), Wertpapier-Kennnummer …, zu einem Kaufpreis von 5.402,50 € erworben. Diese Aktien gehörten zu seinem Privatvermögen.

Die X firmierte bis Mitte 2009 als Y. Y hatte im Juni 2009 Insolvenz gemäß Chapter 11 des US-amerikanischen Insolvenzrechts angemeldet. Im Zuge des Insolvenzverfahrens entstand eine neue Gesellschaft Y, in die ertragsstarke Firmenteile, bspw. zukunftsfähige Marken und Produktionsstandorte, überführt wurden. Daneben und unabhängig davon bestand die "alte Y" fort. Sie wurde in Y Liquidation umbenannt. In ihr verblieben ertragsschwache Teile der vormaligen Y sowie Verbindlichkeiten und sonstige Belastungen, die abgewickelt werden sollten.

Unter dem 27. Juni 2011 teilte die das Aktiendepot führende V-Bank dem Kläger mit, dass die zuständige Lagerstelle die Aktien der Y Liquidation als wertlos eingestuft habe. Es sei mit keinerlei Zahlung mehr zu rechnen. Daher seien die Anteile zum 22. Juni 2011 ersatzlos ausgebucht worden.

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für 2011, zugleich Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2011, machten die Kläger einen Verlust gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG in Höhe der Anschaffungskosten der o.g. Aktien geltend, den das Finanzamt jedoch nicht anerkannte, da es sich - so die Erläuterung im Einkommensteuerbescheid 2011 vom 16. März 2012 - nicht um einen Verkauf gehandelt habe und außerdem keine Steuerbescheinigung ausgestellt worden sei.

In dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2011, ebenfalls vom 16. März 2012, kam daher lediglich der bereits zum 31. Dezember des Vorjahres 2010 festgestellte Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG in der bis zum 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung in vollem Umfang zum Tragen. Dieser fand sodann ausweislich des Einkommensteueränderungsbescheides 2011 vom 17. April 2012 bei der Einkommensteuerfestsetzung 2011 Berücksichtigung, so dass mit Bescheid vom - ebenfalls - 17. April 2012 ein zum 31. Dezember 2011 verbleibender Verlustvortrag in Höhe von 0,00 € festgestellt wurde.

Bereits gegen den Verlustfeststellungsbescheid vom 16. März 2012 hatten die Kläger Einspruch eingelegt, mit dem sie einwendeten, dass nach dem Systemwechsel im Bereich der Besteuerung der Kapitaleinkünfte nunmehr auch die Wertzuwächse zu versteuern seien. Daher gebe es in diesem Bereich keine steuerlich unbeachtliche Vermögenssphäre mehr. Das Vermögen sei auf jeden Fall steuerverstrickt. Es sei daher nicht zu rechtfertigen, dass die sich aus der neuen Gesetzeslage ergebenden belastenden Rechtsfolgen gelten sollten, die damit einhergehenden Verluste jedoch außen vor blieben.

Sie, die Kläger, hätten versucht, die Aktien zu veräußern, das sei aber nicht mehr möglich gewesen.

Bei Nichtberücksichtigung des Aktienverlustes werde gegen das Nettoprinzip verstoßen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass bei einem Verkauf z.B. zu einem Cent pro Aktie ein Verlust einkommensteuerlich geltend gemacht werden könne, bei einem nicht mehr möglichen Verkauf aber nicht.

Nachdem ein weiterer Hinweis des Finanzamtes u.a. auf die fehlende Steuerbescheinigung ohne Reaktion der Kläger geblieben war, wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehörten der Gewinn und der Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Veräußerungsgeschäfte in diesem Sinne seien Rechtsgeschäfte, die die entgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern auf einen anderen Rechtsträger zum Inhalt hätten. Der Forderungsausfall oder die Liquidation einer Kapitalgesellschaft stellten keine Veräußerung dar. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG enthalte keine dem § 17 Abs. 4 EStG entsprechende, für Fälle der Kapitalherabsetzung oder Liquidation eingreifende Regelung.

Mit der vorliegenden im Betreff ausschließlich den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2011 aufführenden Klage beanstanden die Kläger, dass der o.g. geltend gemachte Verlust weder im Einkommensteuerbescheid 2011 noch im B...

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