Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerpflicht von Leistungen eines Anästhesisten aus der Gestattung der Mitbenutzung von Operationsräumen gegenüber operierenden Kollegen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Gestattung der Mitbenutzung seiner Operationsräume durch einen Anästhesisten gegenüber Kollegen, die Operationen durchführen, fällt nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG, bzw. Art. 13 Teils A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EGRL.

Dies gilt auch dann, wenn der Arzt im Rahmen dieser Operationen die Anästhesie durchführt und dieser Abrechnungsmodus bei Kassenpatienten nur deshalb erforderlich wird, weil nur der Operateur den Aufwand der Nutzung der OP-Räume gegenüber den Kassen abrechnen kann und der Vergütungsanteil für die Nutzung der OP-Räume dem Operateur nur teilweise in Rechnung gestellt wird.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 14 S. 1 (Fassung bis 2008), S. 2 (Fassung bis 2008); EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. c

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.03.2015; Aktenzeichen XI R 15/11)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist als Anästhesistin freiberuflich tätig.

Sie stellt anderen Ärzten für ambulante Operationen - an denen sie selbst als Anästhesistin mitwirkt - ihre Operationsräume incl. der notwendigen Ausstattung zur Verfügung und erhält von diesen für die Überlassung Vergütungen. Hierfür schließt sie mit den Ärzten mündliche Verträge, wonach diesen die Nutzung der Räume für die Durchführung der Operationen gestattet wird.

Die Klägerin erklärte die Vergütungen aus der Überlassung ihrer Operationsräume nicht als steuerpflichtige Umsätze.

Im Rahmen einer für die Jahre 2001 bis 2003 durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass es sich um steuerpflichtige Umsätze handele (Tz. 3.1. des Prüfungsberichts vom 01.02.2006).

Aufgrund der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 18.05.2006 Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 sowie am 13.10.2006 Umsatzsteuerbescheide für die noch nicht festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 und am 03.11.2006 für das Jahr 2004.

Gegen sämtliche Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie geltend machte, die Umsätze seien sowohl nach § 4 Nr. 12 UStG, als auch nach § 4 Nr. 14 UStG i.V.m. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EG-Richtlinie steuerfrei.

Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 09.01.2006 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. c) MwStSystRL lägen vor. Es handele sich bei den Umsätzen der Klägerin vollständig um solche aus der Tätigkeit als Ärztin im Rahmen einer Heilbehandlung. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eines der wesentlichsten Tätigkeitsfelder eines Anästhesisten in der Durchführung und Überwachung der Anästhesie während einer Operation liege. Um diese Leistung überhaupt erbringen zu können, sei die Nutzung entsprechender OP-Räume unerlässlich. Der Umstand, dass die Klägerin diese Leistungen in eigenen Räumen erbringe, könne keinesfalls zum Wegfall der umsatzsteuerlichen Befreiung führen. Dieser Offenkundigkeit werde dadurch Rechnung getragen, dass die hier streitgegenständlichen Zuschläge in der GOÄ in das Arzthonorar einbezogen worden seien, auch wenn seit dem 01.04.2005 die Gebührenziffern 80 - 87 im Rahmen eines einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen entfallen seien.

Nach der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise liege bei der Heilbehandlung mittels Operation insgesamt ein einheitlicher ärztlicher Umsatz vor. Entsprechend rechneten der Operateur und der Anästhesist über die kassenärztliche Vereinigung mit der Krankenkasse des Patienten ab, wobei in der Vergütung für den Operateur Zuschläge enthalten seien zwecks Abgeltung des Aufwands für die OP-Räume. Dadurch, dass dieser die Zuschläge an den Anästhesisten weiterleite, weil er dessen OP-Räume nutze, ändere sich für den Patienten nichts daran, dass dieser ausschließlich ärztliche Leistungen zwecks Heilbehandlung in Anspruch nehme; das Erscheinungsbild der Umsätze verändere sich durch die Weiterleitung nicht.

Die Problematik trete nur bei den gesetzlich versicherten Patienten auf. Bei Privatpatienten rechne die Klägerin selbst ihren Aufwand ab, der in die Gebühren nach den GoÄ eingearbeitet sei. In diesen Fällen werde den Operateuren nichts in Rechnung gestellt.

Bei den gesetzlich versicherten Patienten gelte der einheitliche Bewertungsmaßstab - EBM -. Der EBM sehe zwar die Abgeltung des besonderen Aufwands für die Infrastruktur für ambulante Operationen vor; jedoch sei danach eine Abrechnung nur durch den Operateur möglich, eine Abrechnung durch den Anästhesisten sei nicht vorgesehen. Das von der Klägerin verwirklichte Modell - das aufgrund der hohen Kosten für die Infrastruktur, die so von einer Vielzahl von Operateuren genutzt werden könne, wirtschaftlich sinnvoll sei - sei im EBM schlicht nicht vorgesehen. Deshalb rechne der Operateur gegenüber der Krankenka...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge