Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt der Anschaffung/Herstellung von Windkraftanlagen

 

Leitsatz (amtlich)

Windenergie-Gesamtanlagen bestehen aus verschiedenen eigenständigen Wirtschaftsgütern. Maßgeblich für den Zeitpunkt, ab dem AfA-Beträge für die einzelnen Wirtschaftsgüter geltend gemacht werden können, ist die Anschaffung im Sinne der Verschaffung der Verfügungsmacht. Die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums ist dabei an den individuellen Besonderheiten des Einzelfalls, auch an den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, zu orientieren.

 

Normenkette

EStG §§ 7, 7g Abs. 1-2; EStDV § 9a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.02.2012; Aktenzeichen I R 57/10)

 

Tatbestand

Streitig ist der für die Abschreibungen maßgebliche Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung von zwei Windkraftanlagen.

Die Klägerin ist eine ursprünglich in 1988 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand seit 1995, zunächst unter der Firma W GmbH, u.a. das Planen, Betreiben und Bauen von Anlagen, die zur Erzeugung regenerativer Energien dienen, ist. An ihrem Stammkapital waren in den Streitjahren 2000 bis 2002 vier Gesellschafter beteiligt, u.a. der Geschäftsführer G.

Mit Vertrag vom 25.07.2000 hatte die Klägerin zwei Windkraftanlagen (im Folgenden als WKA bezeichnet) für den Standort B von der S GmbH für einen Gesamtkaufpreis iHv 5,3 Mio. DM netto gekauft (Bl. 95 ff Prozessakten - PA). Nach § 2 des Vertrages handelte es sich um zwei Stück „betriebsfertige und betriebsfähige Windkraftanlagen“ Typ S70 u.a. inklusive Lieferung frei Baustelle, Kraneinsatz, Montage und Inbetriebnahme am Standort, Schalt-, Regel- und Schutzeinrichtungen für den Netzanschluss sowie mit dem EVU abgestimmte Trafokompaktstationen inklusive Niederspannungsverkabelung bis max. 30 m. Der Kaufpreis war nach § 4 in Raten zu 10% bei Vorliegen der vorbehaltlosen Finanzierungszusage und vorbehaltlosem Kaufvertrag, zu 85% bei Errichtung der jeweiligen Windkraftanlage und zu 5% nach Abschluss des Probebetriebes zu zahlen. Dieser Probebetrieb „endete mit der ersten Hauptinspektion“. Zusammen mit dieser Inspektion sollte „die Abnahme der Anlage durch den Käufer“ erfolgen, es war ein Abnahmeprotokoll zu erstellen. Während des Abgabetermins sollte „die ordnungsgemäße Funktion der WKA durch die Vertragsparteien“ geprüft werden. Nach § 7 „Mitwirkungspflichten des Käufers“ musste u.a. vor Beginn der Montagearbeiten die Netzanbindung „bis zu den Endverschlüssen der Trafostation fertiggestellt sein, sodass die jeweilige Windkraftanlage unmittelbar nach Aufstellung in Betrieb genommen werden kann“ (Ziffer 6). Die Verkäuferin hatte die benötigte Trafostation rechtzeitig zu liefern. Der Netzanschluss (mittelspannungsseitig) musste von einem Elektrofachbetrieb vorgenommen werden. Die Niederspannungsverkabelung (Trafo-Windkraftanlage) war Sache der Veräußerin. Im Lieferumfang der S GmbH waren somit nicht die ca. 1,7 Km von den WKA entfernte sog. Übergabestation, die der Einspeisung der gewonnenen Energie in das Stromnetz des Energieversorgungsunternehmens (EVU) RWE dient, sowie die Verkabelung von den Trafostationen zu dieser enthalten (diese „Gesamtanlage“ wird im Folgenden als Windenergieanlage - WEA - bezeichnet). Außerdem hatte die Klägerin nach § 7 Nr. 10 dafür zu sorgen, dass zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme zwei Festnetztelefonanschlüsse vorhanden sind. § 8 Ziffer 5 des Vertrags sah für den Fall, dass es der Verkäuferin aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht gelingen sollte, die Inbetriebnahme der WKA bis zum 31.12.2000 durchzuführen, eine Konventionalstrafe iHv 200.000.- DM netto pro Anlage vor. Weitere Voraussetzung dafür war die Fertigstellung u.a. des Netzanschlusses und der Übergabestation bis zum 10.12.2000. Die Gefahr sollte nach § 13 „nach Beendigung der Abnahme“ auf den Käufer übergehen. Nach § 17 Nr. 1 Satz 2 bedurften Änderungen und Ergänzungen des Vertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Die Lieferung der WKA erfolgte zwischen dem 28.11. und dem 07.12.2000, die Aufstellung begann am 28.11.2000, am 05. und 07.12.2000 waren die Anlagen errichtet. Unmittelbar danach fand noch im Dezember 2000 ein Inbetriebnahme-Check statt, bei dem über die Trafostationen Strom auf die Anlagen gegeben wurde. Danach funktionierten die WKA ordnungsgemäß und konnten Strom liefern.

Am 05.12.2000 erteilte die Klägerin einem Fremdunternehmen den Auftrag zur Verlegung eines Erdkabels von den Trafostationen zum Standort der Übergabestation (Bl. 44 ff RB-Akten), die Arbeiten wurden im Januar 2001 ausgeführt. Gemäß einem am 04.01.2001 erteilten Auftrag lieferte ein weiterer Fremdunternehmer am 18.01.2001 eine Stahlbetonfertigstation für die Übergabestation (Bl. 47 RB-Akten). Am 08.02.2001 wurde ein Stromzähler installiert, am gleichen Tag erfolgte die erste Stromeinspeisung in das Netz des Energieversorgungsunternehmens (Bl. 131 PA).

Nach „Inbetriebnahme- und Abnahmeprotokollen“ jeweils vom 16.05.2001 wurden die „WEA“ am 15. bzw. am 22.03.2001 „erfolgreich“ in ...

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