Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufforderung zur Datenträgerüberlassung rechtmäßig

 

Leitsatz (redaktionell)

Ob und wie die Finanzbehörde nach wirksam angeordneter Betriebsprüfung einen Steuerpflichtigen auf der Grundlage seiner Mitwirkungspflichten in Anspruch nimmt, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Insbesondere kann die Behörde im Rahmen einer Außenprüfung auch verlangen, dass Unterlagen i.S.d. § 147 Abs. 1 AO, die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden sind, nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet oder ihr die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden, § 147 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 2 AO.

Der Wortlaut des § 147 Abs. 6 S. 1 AO zeigt klar, dass in allen Fällen, in denen die Buchführung mittels EDV erstellt worden ist, der Datenzugriff prinzipiell zulässig ist. Hiermit korrespondiert die ersatzlose Streichung des § 146 Abs. 2 S. 2 AO a.F., nach dem ein Steuerpflichtiger auch bei EDV-Buchführung die Möglichkeit hatte, die Daten nach Ausdruck zu löschen.

 

Normenkette

AO § 147 Abs. 6 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.04.2013; Aktenzeichen VIII R 44/09)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die anlässlich einer bei einem Steuerberater stattfindenden Betriebsprüfung angeordnete Aufforderung zur Datenträgerüberlassung nach § 147 Abs. 6 AO für elektronisch geführte Buchführungsunterlagen der Anwendungsgebiete Finanzbuchhaltung, Anlagenbuchhaltung, Lohnbuchhaltung, Fakturierung, Berechnung von Rückstellungen und Wertberichtigungen nichtig bzw. rechtswidrig ist, weil sie die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht und die Erfüllung des Verwaltungsakts objektiv unmöglich ist, bzw. die Aufforderung zur Datenträgerüberlassung ermessensfehlerhaft ist.

Der Kläger betrieb in den Jahren 2003 und 2004 in Ansbach eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei in Form eines Einzelunternehmens. Den Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich.

Mit Prüfungsanordnung vom 28.07.2008 ordnete das Finanzamt für diese Jahre eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO an.

Ebenfalls mit Schreiben vom 28.07.2008 wies das Finanzamt den Kläger darauf hin, dass anlässlich der Außenprüfung beabsichtigt sei, auf elektronisch geführte Buchführungsunterlagen zuzugreifen, § 147 Abs. 6 AO. Es bat um Rücksendung des beigefügten Fragebogens zum EDV-System.

Gemäß den Angaben des Klägers im Fragebogen liegen für den Prüfungszeitraum digitale Daten vor, die im derzeit aktuellen EDV-System vorgehalten werden, und auf die im Rahmen der Betriebsprüfung per Datenträgerüberlassung an die Finanzverwaltung zugegriffen werden kann. Dazu können die Daten im GDPdU-Beschreibungsstandard (XML) und den Standard-PC-Formaten (Excel, Access, Lotus, dBase) zur Verfügung gestellt werden. Die EDV-Unterstützung wird für die Anwendungsgebiete Finanz-, Anlagen-, und Lohnbuchhaltung, Auftragsabwicklung, Fakturierung, Berechnung von Rückstellungen und Berechnung von Wertberichtigungen eingesetzt. Die Frage, „Bestehen Auswertungsmöglichkeiten (z.B. Reports, Sortier- und Filterfunktionen)?“ wurde mit „JA“ beantwortet. Nicht beantwortet wurden die Fragen, welches Buchführungssystem im Prüfungszeitraum eingesetzt wurde und welche Dokumentationsunterlagen für die eingesetzten EDV-Anwendungen vorliegen.

Mit Bescheid vom 08.08.2008 forderte das Finanzamt den Kläger auf, dem Prüfer bei Prüfungsbeginn die Daten für die Anwendungsgebiete Finanzbuchhaltung, Anlagenbuchhaltung, Lohnbuchhaltung, Fakturierung (zum Abgleich mit der Finanzbuchhaltung; aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur für den Zeitraum 01.01.2004 bis 30.06.2004) sowie Berechnung von Rückstellungen und Wertberichtigungen auf Datenträgern zu überlassen. Bei Anforderung dieser Unterlagen gehe das Finanzamt davon aus, dass die Finanzbuchhaltung des Klägers „der Empfehlung der Bundessteuerberaterkammer entsprechend, so aufgebaut ist, dass solche Daten, die dem Datenschutz oder der Verschwiegenheit unterliegen (§ 102 AO), getrennt von den vorlagepflichtigen steuerlich relevanten Daten archiviert sind oder entsprechend aufbereitet werden können und somit einer Vorlage nichts im Wege steht“.

Als Anlage war eine „Interessenabwägung im Rahmen der Ermessensausübung“ beigefügt. Das Finanzamt setzt sich darin allgemein mit der Frage auseinander, ob ein Träger von Berufsgeheimnissen durch die Datenträgerüberlassung, die üblicherweise auch die Namen der Mandanten enthält, seine Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verletzt und den Straftatbestand des § 203 Abs. 1 StGB erfüllt.

Es kommt zu dem Schluss, dass der Datenträgerzugriff grundsätzlich auch bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern zulässig sei, weil eine mutmaßliche Einwilligung der Mandanten in die Weitergabe ihrer beim Berufsträger gespeicherten Daten an die Finanzverwaltung zur Zwecke der Betriebsprüfung beim Berufsträger anzunehmen sei, zumal dem Finanzamt aufgrund der eing...

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