Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftszimmer eines Gerichtsvollziehers als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung

 

Leitsatz (amtlich)

Das Geschäftszimmer eines Gerichtsvollziehers fällt unter die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG 2002, wenn es in die häusliche Sphäre eingebunden ist.

Das Geschäftszimmer ist Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung (qualitativer Schwerpunkt der beruflichen Betätigung) eines Gerichtsvollziehers, wenn dieser 60 bis 65 % der Aufträge durch Innendiensttätigkeit erledigt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b, § 9 Abs. 5

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kosten der Büroräume in dem vom Kläger selbst genutzten Einfamilienhaus in voller Höhe als Werbungskosten berücksichtigt werden können, oder ob sie der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG unterliegen.

Die Kläger sind Ehegatten, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte in den Streitjahren als Obergerichtsvollzieher beim Amtsgericht 1 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin war in den Jahren 2003 und 2004 bei ihrem Ehemann als Bürofachkraft beschäftigt. Mit Einreichung der Steuererklärungen machten die Kläger Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 6.954 € für 2002, von 5.335 € im Jahr 2003 und von 5.451 € im Jahr 2004 als Werbungskosten geltend. Bei dem Arbeitszimmer handelt es sich um Räume im Dachgeschoss des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses der Kläger in 2, ... Die Büroräume nehmen die gesamte Dachgeschossfläche des Hauses ein, die Fläche beträgt 45,64 qm, die gesamte Wohnfläche des Hauses 136,22 qm. Auf die von den Klägern vorgelegten Grundrisse des Gebäudes und die Lichtbilder des Hauses und des Büros wird verwiesen.

Der Kläger trägt vor, dass seine Arbeitszeit unregelmäßig sei. Im Regelfall sei er von 7.15 Uhr bis 9.00 Uhr im Büro, von 9.00 bis 13.00 Uhr im Außendienst, von 13.30 bis 18.00 Uhr im Büro und meistens von 19.00 bis 22.30 Uhr wieder im Büro. Er sei verpflichtet, täglich die Vollstreckungsaufträge beim Amtsgericht 1 abzuholen.

Außerdem hat er ein Schreiben des Direktors des Amtsgerichts 1 vom 30.09.2003 mit folgendem Inhalt vorgelegt:

"Gerichtsvollzieher sind nach § 46 Gerichtsvollzieherordnung - GVO - verpflichtet, auf eigene Kosten ein Geschäftszimmer zu halten. Dies trifft für alle Gerichtsvollzieher des Amtsgerichtsbezirks 1 (einschließlich der Zweigstelle 3) zu. In dem Geschäftszimmer wickelt der Gerichtsvollzieher alle Geschäfte bis auf den Außendienst ab. Nach § 49 GVO ist der Gerichtsvollzieher verpflichtet, Büro- und Schreibhilfen auf eigene Kosten zu beschäftigen, soweit es der Geschäftsbetrieb erfordert. Die übertragenen Arbeiten dürfen nur im Geschäftszimmer des Gerichtsvollziehers erledigt werden. Herr Obergerichtsvollzieher Kl. unterhält sein Geschäftszimmer in der in 2."

Mit Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 15.12.2003, für 2003 vom 22.07.2004 und für 2004 vom 30.08.2005 setzte das Finanzamt die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nur mit einem Betrag von 1.250 € an. In den Erläuterungen zur Festsetzung führte es aus, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer einschließlich dessen Ausstattung nur mit einem Betrag bis 1.250 € berücksichtigt werden könnten, weil das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung darstelle.

Die Einsprüche der Kläger wurden mit Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 21.02.2006 hinsichtlich der streitgegenständlichen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage wird für die Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 15.12.2003, den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 22.07.2004 und den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 30.08.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2006 dahingehend abzuändern, dass Aufwendungen für die Büroräume im Jahr 2002 mit 6.954 €, im Jahr 2003 mit 5.335 € und im Jahr 2004 mit 5.451 € als Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit berücksichtigt werden.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:

Die Büroräume des Klägers würden den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung darstellen. Mittelpunkt der Betätigung sei dort, wo die Voraussetzungen geschaffen werden, um die Vollstreckungstätigkeit ausüben zu können. Die Außendiensttätigkeit eines Vollstreckungsbeamten könne zwar für das Berufsbild als prägend angesehen werden, sie stelle jedoch nicht den Mittelpunkt der Betätigung dar. Der Kläger sei verpflichtet, nachdem der Arbeitgeber keinen Arbeitsplatz oder sonstige Räumlichkeiten zur Verfügung stelle, in den eigenen Räumen Parteiverkehr abzuhalten, die zeitweise Anwesenheit von Auszubildenden hinzunehmen und selbst die Archivierung in eigenen oder gemieteten Räumen vorzunehmen. Dort würden die für seine Berufsausübung wesentlichen Kerntätigkeiten erbracht, wie z.B. d...

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