Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer 1990

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.06.1997; Aktenzeichen IV R 51/96)

 

Tenor

1. Die Einspruchsentscheidung vom 10.07.1995 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Beschluß

Der Streitwert wird auf 138.502 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für den Erlaß einer verbösernden Einspruchsentscheidung vorgelegen haben.

Die im Bereich des beklagten Finanzamts wohnhaften Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erzielt mit einem Lebensmitteleinzelhandel gewerbliche Einkünfte. Daneben veräußerte er im Streitjahr 1990 seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in …, für den das Lagefinanzamt A. mit Bescheid vom 13.12.1993 den Gewinn wie folgt gesondert feststellte:

Gewinn aus dem Wirtschaftsjahr 1989/1990

28.478,– DM

Gewinn im Rumpfwirtschaftsjahr 1990 (01.07.–30.09.1990)

72.884,– DM

Veräußerungsgewinn (1.071.275 DM abzüglich Rücklage nach § 6 b EStG i.H.v. 500.000 DM)

571.275,– DM

Summe

672.637,– DM

Das beklagte Finanzamt führte die Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1990 im Bescheid vom 13.06.1994, der nach § 164 Abs. 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung und nach § 165 Abs. 1 AO wegen anhängiger Verfassungsbeschwerden teilweise vorläufig erging, zunächst im Schätzungswege durch und setzte die Einkommensteuer nach der Splittingtabelle auf 0 DM fest. Aufgrund der bereits am 08.09.1993 eingereichten Einkommensteuererklärung und der seit 03.01.1994 vorliegenden Mitteilung des Finanzamts A. über die gesonderte Gewinnfeststellung 1990 erließ das Finanzamt am 22.07.1994 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid, in dem die Einkommensteuer unter Einbeziehung der mitgeteilten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ohne Berücksichtigung einer Tarifermäßigung für den Veräußerungsgewinn auf 269.466 DM und die Zinsen auf 36.369 DM festgesetzt wurden; zugleich wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Auf telefonischen Antrag des steuerlichen Vertreters änderte das Finanzamt am 16.08.1994 den Einkommensteuerbescheid für 1990 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erneut und gewährte für den Veräußerungsgewinn i.H.v. 571.275 DM einen ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 2 EStG; die Einkommensteuer wurde dementsprechend auf 130.964 DM herabgesetzt. Der Bescheid wurde an Steuerberater 1 als Bekanntgabeempfänger versandt. Die Kläger entrichteten die aufgrund des Bescheides fällige Einkommensteuernachzahlung in Höhe von 130.964 DM ebenso wie die festgesetzten Zinsen in Höhe von 17.671 DM am 24.08.1994 per Scheck.

Mit Schreiben vom 23.08.1994, das am 24.08.1994 per Telefax beim Finanzamt einging, legte der damalige Inhaber der Einzelfirma … und jetzige Geschäftsführer der Prozeßbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dipl.-Kfm. 1 im Namen der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid für 1990 vom 22.07.1994 Einspruch ein. Zur Begründung führte er an, daß die Versteuerung des Veräußerungsgewinns als laufender Gewinn unzutreffend und darüber hinaus für ein Darlehen i.H.v. 100.000 DM an die … eine Ermäßigung gemäß § 16 Berlinförderungsgesetz –BerlinFG– zu gewähren sei. Im Schreiben vom 31.08.1994 wies das Finanzamt den Steuerberater darauf hin, daß der ermäßigte Steuersatz für den Veräußerungsgewinn bereits im Steuerbescheid vom 16.08.1994 berücksichtigt worden sei und für die Steuervergünstigung nach dem BerlinFG die ausgefüllte Anlage B sowie ein Zins- und Tilgungsplan einzureichen seien. Eine Antwort ging trotz der Erinnerungen vom 11.10. und 23.11.1994 nicht ein. Nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage führte das Finanzamt in dem an Steuerberater 1 gerichteten Schreiben vom 14.02.1995 aus, daß mangels vorgelegter Unterlagen eine Steuervergünstigung nach § 16 BerlinFG nicht in Betracht komme. Außerdem sei nach § 34 Abs. 1 Satz 4 EStG eine Tarifermäßigung für den Veräußerungsgewinn wegen der Rücklagenbildung nach § 6 b bzw. § 6 c EStG ausgeschlossen. Da jedoch im Änderungsbescheid vom 16.08.1994 die Tarifermäßigung gewährt worden sei, führe die Aufrechterhaltung des Einspruchs zu einer nachteiligen Auswirkung für die Kläger. Die Rücknahme des Einspruchs werde daher anheimgestellt. Da das Anschreiben trotz Erinnerung vom 22.03.1995, in der nochmals auf eine mögliche Verböserung hingewiesen wurde, unbeantwortet blieb, rief die Sachbearbeiterin des Finanzamts in der Kanzlei 1 an, um sich nach dem Sachstand zu erkundigen. Der dort zuständige Sachbearbeiter … teilte ihr mit, daß ihm keine Unterlagen zur Verfügung stünden, weil die Akten zur Bearbeitung an ein anderes Steuerbüro abgegeben worden seien; er wolle aber am 31.05.1995 (einem Mittwoch) zurückrufen. Nach weiteren Anrufen des Finanzamts (am 06.06. und 08.06.1995) wurde vereinbart, daß von Seiten des Steuerberaters bis 14.06.1995 mitgeteilt werde, ob der Einspruch wegen der angedrohten Verböserung zurückgenommen wird.

Nachdem wiederum keine Nachricht des Steuerber...

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