Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelte Haushaltsführung: Eigener Hausstand im Haus der Eltern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein eigener Erst- oder Haupthausstand kann auch gemeinsam mit den Eltern oder mit einem Elternteil in einer nicht abgeschlossenen Wohnung ohne eigene finanzielle Beteiligung geführt werden (wird im einzelnen ausgeführt).

2. Ist der Arbeitnehmer aber kein wesentlich bestimmender bzw mitbestimmender Teil des elterlichen Hausstandes und hält sich in dem Haushalt, im wesentlichen nur unterbrochen durch arbeits- und urlaubsbedingten Abwesenheiten auf, ist vom Fehlen eines eigenen Hausstandes auszugehen (wird im einzelnen ausgeführt).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nrn. 4-5

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 01.03.2017; Aktenzeichen VI B 74/16)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung in den Streitjahren 2011 und 2012 vorliegen.

Der im Jahre 1983 geborene Kläger ist alleinstehend und erzielte in den Streitjahren mit der Herstellung von Werbeschildern und Beschriftungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie als Bauleiter bei der Firma 1 GmbH München Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Des Weiteren erzielte er noch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Die nichtselbständige Arbeit übte er ab 21.02.2011 in München aus. Dort mietete er ab 16.05.2011 bei der Firma 2 eine Zwei-Zimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 47,89 qm. Seinen Hauptwohnsitz behielt der Kläger nach eigenen Angaben in A-Stadt, Str. 2, bei und wohnte dort nach seinen Angaben zusammen mit seinen Eltern im Einfamilienhaus (ca. 118 qm), das im Streitjahr seinen Eltern alleine gehörte. Eine abgeschlossene Wohnung besaß er dort nicht. Er nutzte nach eigenen Angaben im Erdgeschoss des Einfamilienhauses ein Wohn-/Schlafzimmer (ca. 15 qm) alleine. Die Küche und das Bad wurden von ihm und seinen Eltern gemeinsam genutzt. Einen Mietvertrag mit den Eltern hatte der Kläger für das Streitjahr nicht abgeschlossen. Weiterhin wurden Räume im Dachgeschoss (ca. 28 qm) und im Nebengebäude (ca. 95 qm) vom Kläger als Lager und Betriebsfläche für die Herstellung von Werbeschildern und Beschriftungen genutzt. Nach seinen Angaben übernahm er eine jährliche Zahlung von 600 € für Stromkosten sowie die Brennholzbeschaffung und -aufbereitung für die Beheizung des Hauses einschließlich kleinerer Reparaturen.

Im Rahmen der Einspruchsverfahren gegen die nach § 164 Abs. 2 und Abs. 3 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheide für 2011 vom 24.07.2013 und für 2012 vom 14.04.2015 machte der Kläger erstmals Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 9.294,41 € für 2011 und 11.470,83 € für 2012 als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Die Einspruchsverfahren blieben erfolglos; mit Einspruchsentscheidungen jeweils vom 03.02.2016 wurde die Einkommensteuer 2011 auf 3.636 € erhöht und der Einspruch gegen den Änderungsbescheid 2012 vom 13.05.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung wurde vom Finanzamt abgelehnt, da außerhalb des Beschäftigungsortes kein eigener Hausstand unterhalten worden sei. In den Einspruchsentscheidungen wies das Finanzamt darauf hin, dass ein weiterer Nachweis der durchgeführten Fahrten (weitere Kontoauszüge, Zugfahrkarten etc.) nicht erbracht worden sei. Zuvor hatte das Finanzamt den Kläger mit Schreiben vom 16.11.2015 daraufhin gewiesen, dass die im Rahmen des Einspruchsverfahrens geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten bislang lediglich teilweise (für 2012: Nachweis lediglich 9 von 44 Fahrten) nachgewiesen worden seien.

Mit Telefax vom 04.03.2016 hat die Prozessbevollmächtigte für den Kläger Klage gegen die Einkommensteuerbescheide für 2011 vom 24.07.2013 und für 2012 vom 13.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.02.2016 erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen:

Der Kläger habe nach seiner Schulzeit eine Ausbildung als Maurer gemacht und anschließend eine Zeit lang in seinem erlernten Beruf gearbeitet. Nach dem Besuch der Berufsoberschule habe er an der Fachhochschule C-Stadt Architektur studiert und dieses Studium Anfang des Jahres 2011 abgeschlossen. Nach dem Studium habe er die Tätigkeit als Bauleiter bei der Firma 1 in München aufgenommen. Zugleich habe der Kläger seit April 2008 einen eigenen Gewerbebetrieb (Herstellung von Werbeschildern und Beschriftungen) mit Sitz in A-Stadt unterhalten und hieraus Einkünfte erzielt.

Seinen Wohnsitz in A-Stadt, Str. 2, habe der Kläger während seines Studiums und seiner Berufstätigkeit in München unverändert beibehalten. Zusammen mit seinen Eltern habe er in A-Stadt einen eigenen Hausstand unterhalten. Die Wohnung in München sei nicht wesentlich größer gewesen als die in A-Stadt alleine und zusammen mit den Eltern genutzten Räumlichkeiten; eine kleinere und günstigere Wohnung sei in München nicht zu finden gewesen. Der Kläger habe auch mit der jährlichen Zahlung von 600 € für Strom, mit der Brennholzbeschaffu...

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