Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammenveranlagung von eingetragenen Lebenspartnern

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Schlechterstellung eingetragener Lebenspartner gegenüber Ehegatten bestehen keine Unterschiede von solchem Gewicht, dass sie die Benachteiligung der Lebenspartner im Hinblick auf die einkommensteuerliche Zusammenveranlagung rechtfertigen können. Die Ehe wie auch die Lebenspartnerschaft sind auf Dauer angelegt, rechtlich verfestigt und begründen eine gegenseitige Einstandspflicht.

 

Normenkette

EStG §§ 26, 26b; FGO § 69 Abs. 4; GG Art. 6 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 23.04.2012; Aktenzeichen III B 187/11)

BFH (Beschluss vom 23.04.2012; Aktenzeichen III B 187/11)

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob für den Antragsteller und dessen Lebenspartner die Voraussetzungen einer Zusammenveranlagung vorliegen.

Nach der Urkunde des Notars N in A (Urk. Nr. xxx/2002) haben der Antragsteller und Herr B am 26.03.2002 eine Lebenspartnerschaft begründet, die im Partnerschaftsregister unter der Nr. xxx/2002 eingetragen wurde.

Mit Einreichung der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2002 bis 2008 beantragte der Antragsteller mit seinem Lebenspartner zusammen zur Einkommensteuer veranlagt zu werden. Das Finanzamt versagte dies und führte in den Streitjahren jeweils eine Einzelveranlagung des Antragstellers durch. Gegen die Ablehnungen der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2007 legte der Antragsteller jeweils Einspruch ein. Die Einspruchsverfahren bezüglich der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2007 ruhen derzeit im Hinblick auf die dem Bundesverfassungsgericht vorliegenden Verfahren 2 BvR 909/06 und 2 BvR 1981/06. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 08.01.2010 wurde mit Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 21.07.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Der Antragsteller hat hiergegen Klage erhoben, die beim Finanzgericht Nürnberg unter dem Az. 3 K 1114/10 erfasst ist.

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für 2002 bis 2008 lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 24.03.2011 und Einspruchsentscheidung vom 08.06.2011 ab.

Der Antragsteller begehrt sinngemäß, die Einkommensteuerbescheide für 2002 vom 17.09.2003, für 2003 vom 09.12.2004, für 2004 vom 16.11.2005, für 2005 vom 12.01.2007, für 2006 vom 29.01.2008, für 2007 vom 21.11.2008 und für 2008 vom 08.01.2010 in Höhe des Differenzbetrages von der Vollziehung auszusetzen, der sich bei Anwendung des Splittingtarifs nach dem Einkommensteuergesetz ergibt.

Hilfsweise beantragt der Antragsteller die Zulassung der Beschwerde zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitfrage.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags auf Zusammenveranlagung. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 21.07.2010 zur Erbschaftsteuer (1 BvR 611/07 und 1 BvR 2464/07) entschieden, dass der allgemeine Gleichheitssatz gebiete, alle Menschen gleich zu behandeln. Gehe die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen mit der Ehe vergleichbar sind, rechtfertige die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht. Es könne nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dahinstehen, ob die bessere abstrakte Eignung der Ehe, Ausgangspunkt der Generationenfolge zu sein, höhere Freibeträge zugunsten von Ehegatten mit Blick auf die mögliche Weitervererbung Familienvermögens an gemeinsame Kinder rechtfertigen könne. Das geltende Recht mache die Privilegierung der Ehe jedoch nicht vom Vorhandensein gemeinsamer Kinder abhängig, sondern differenziere bei der Höhe der Freibeträge nicht zwischen kinderlosen Ehen und solchen, aus denen Kinder hervorgegangen sind.

Diese Grundsätze des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts seien ohne Weiteres auf die Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten bei der Einkommensteuer zu übertragen. Die Privilegierung von Ehegatten bei der Einkommensteuer sei ebenfalls nicht davon abhängig, ob die Ehepaare Kinder haben oder hatten . Entsprechend habe auch das Finanzgericht Niedersachsen mit Beschlüssen vom 09.11.2010 (Az. 10 V 309/10, DStRE 2011, 675, juris), vom 01.12.2010 (Az. 13 V 239/10, juris) und vom 06.01.2011 (Az. 7 V 66/10, juris) die Aussetzung der Vollziehung dahin gewährt, dass der Splittingtarif auch bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft anzuwenden sei. Da es sich bei den zitierten Ausführungen des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts um Erwägungen handele, die die Entscheidung tragen würden, seien sie gemäß § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz für die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden bindend.

Die Aussetzung sei auch zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich. Nach der Rechtsprechung des BFH lägen wesentliche Nachteile i.S.d. § 69 Abs. 2...

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