Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleich, einheitliche Entschädigung, Aufspaltung in Teilbeträge

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die aufgrund eines Vergleichs auf neuer Rechtsgrundlage i.S.v. §§ 278, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gezahlte Entschädigung ist eine einheitliche Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1a EStG und gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern. Vor Abschluss eines solchen Vergleichs geleistete Zahlungen sind für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes unschädlich.

2) Vor Abschluss des Vergleichs geleistete Zahlungen stehen nicht mit diesem in Zusammenhang, sodass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes insoweit ausscheidet.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2; ZPO §§ 278, 794 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 24 Nr. 1a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.10.2017; Aktenzeichen IX R 11/17)

 

Tatbestand

Streitig ist die Besteuerung von unfallbedingten Zahlungen des Landwirtschaftlichen Versicherungsvereins … a. G. (LVM) an den Kläger.

Der Kläger ist schwerbehindert (Grad der Behinderung 80 %) und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihm sind u.a. im Streitjahr Entschädigungszahlungen für entgangene und entgehende Einnahmen zugeflossen. Diesen Zahlungen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger wurde 1993 durch einen Verkehrsunfall schwer verletzt. Seine Behinderung ist die Folge der damals erlittenen Verletzungen. In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Y. (Az. …) zwischen dem Kläger und der LVM vertrat der Senat des OLG Y. die Auffassung, dass davon auszugehen sei, dass der Kläger ohne den Unfall als Gymnasiallehrer verbeamtet worden wäre.

Im Juli 2012 schlossen der Kläger und der LVM nach einem viele Jahre andauernden Rechtsstreit einen Vergleich, wonach der LVM ab dem 01.09.2008 regelmäßige monatliche Zahlungen auf den Erwerbs- und Fortkommensschaden an den Kläger auf Basis der Besoldungsgruppe A13 zu leisten hat. Die Parteien waren sich einig, dass der LVM berechtigt sein sollte, im Wege der Verrechnung eine Überzahlung für den Zeitraum bis zum 31.08.2008 in Höhe von 5.500,00 EUR sowie die im Januar 2012 geleistete weitere Zahlung in Höhe von 10.000,00 EUR von den auszuzahlenden Beträgen in Abzug zu bringen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Vergleich … ergänzend Bezug genommen.

Im Rahmen der Abwicklung des Vergleichs für die Vergangenheit und die Zukunft erging ein Schreiben der LVM an den Bevollmächtigten des Klägers, wonach dem Kläger für den Zeitraum 01.09.2008 bis 30.09.2012 – entsprechend eigener Ermittlungen – ein Geldbetrag in Höhe von 68.356,56 EUR zustehen sollte. Hiervon waren zum Abzug zu bringen Überzahlungen in Höhe von 15.000,00 EUR und Fahrtkosten, so dass ein Gesamtbetrag in Höhe von 55.313,87 EUR überwiesen wurde. Weiterhin ermittelte die LVM den laufenden Verdienstausfall für Dezember in Höhe von 1.324,51 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der LVM von Oktober 2012 verwiesen.

Insgesamt hat der Kläger folgende (Aus-)Zahlungen erhalten:

22.06.2006

15.000,00 EUR

17.11.2006

10.000,00 EUR

25.000,00 EUR

01.02.2012

10.000,00 EUR

06.11.2012

55.313,87 EUR

02.12.2012

1.324,51 EUR

66.638,38 EUR

Mit Einkommensteuerbescheid vom 14.10.2013 unterwarf der Beklagte die Entschädigungszahlungen insgesamt zunächst nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Einkommensteuerbescheid erging unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch vom 23.10.2013 beantragte der Kläger, die Einnahmen aus dem Vergleich in Höhe von 66.638,38 EUR bzw. 62.094,88 EUR (spätere Auffassung des Klägers) als außerordentliche Einkünfte zu behandeln.

Der Beklagte gab dem Einspruch insoweit statt, als er Entschädigungszahlungen in Höhe von 55.674,29 EUR gemäß § 34 Abs. 1 EStG dem ermäßigten Steuersatz unterwarf und 16.464,09 EUR als laufende Einkünfte berücksichtigte. Im Übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Er teilte die Entschädigungsleistungen für 2012 wie folgt auf:

Als zugeflossen in 2012 gelten seiner Auffassung nach:

10.000,00 EUR

(01.02.2012 Vorschuss)

5.500,00 EUR

(09.07.2012 Verrechnung Zahlung 2006, abgek. Zahlungsweg)

55.313,87 EUR

(06.11.2012 Überweisung nach Vergleich)

1.324,51 EUR

(02.12.2012 Überweisung für Dezember 2012)

72.138,38 EUR

laufende Entschädigungsleistungen (keine ermäßigte Besteuerung):

11.920,59 EUR

(Januar bis September 2012 geschätzt 9 × 1.324,51 EUR)

1.324,51 EUR

(Oktober 2012)

1.894,48 EUR

(November 2012)

1.324,51 EUR

(Dezember 2012)

16.464,09 EUR

zusammengeballte Entschädigungsleistungen (ermäßigte Besteuerung):

72.138,38 EUR

-16.464,09 EUR

55.674,29 EUR

Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Aufteilung in laufende und nachträgliche Einkünfte nicht den Zweck des § 34 EStG untergrabe. Nach seinem originären Zweck ist diese Regelung zum Ausgleich von Härten bestimmt, die sich wegen der progressiven Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs ergeben könnten, wenn Einkünfte, die wirtschaftlich den Ertrag mehrerer Jahre darstellten, dem Steuerpflichti...

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