Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine gebundener Anspruch des Abwicklers einer Steuerberatungspraxis auf Akteneinsicht

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Abwickler einer Steuerberatungspraxis i. S. des § 70 StBerG hat keinen gebundenen Anspruch auf Vorlage von Kontoauszügen aus dem steuerlichen Erhebungskonto und/oder auf Akteneinsicht.

2) Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 4 IFG NRW, noch aus der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments, noch aus § 70 StBerG, noch aus der Verwaltungspraxis zum Beraterwechsel und auch nicht aus der Stellung als Erfüllungsgehilfe des Insolvenzverwalters.

3) Die Finanzbehörden entscheiden vielmehr nach pflichtgemäßen Ermessen, ob, in welchem Umfang und in welcher Form sie einem Beteiligten in einem steuerlichen Verwaltungsverfahren Akteneinsicht gewähren.

 

Normenkette

IFG Bund § 1; IFG NRW § 4; AO §§ 91, 364; FGO § 102; StBerG § 70

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger als Abwickler einer Steuerberaterpraxis im Sinne des § 70 Steuerberatungsgesetz (StBerG) ein Recht auf Vorlage von Auszügen aus dem steuerlichen Erhebungskonto und/oder auf Akteneinsicht zusteht.

Der Kläger ist als Steuerberater in A tätig. Sein ebenfalls in A ansässiger Berufskollege,

Herr Steuerberater B, litt im Jahr 2009 an einer schweren Erkrankung, die ihn auf nicht absehbare Zeit an der Berufsausübung hinderte. Die Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe bestellte den Kläger mit Bescheid vom 08.10.2009 gemäß § 69 Abs. 3 StBerG zum alleinigen Vertreter des Steuerberaters B. Die Vertretung war zunächst auf ein Jahr befristet. Auf Grund eines Eigenantrages vom 19.10.2009 bestellte das Amtsgericht C, Insolvenzgericht, am 19.10.2009 Herrn Rechtsanwalt L zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen von Herrn Steuerberater B (Az. 80 IN …). Mit Beschluss vom 23.11.2009 eröffnete das Amtsgericht C das Insolvenzverfahren und bestellte Herrn Rechtsanwalt L zum Insolvenzverwalter. Trotz zwischenzeitlich vom Insolvenzverwalter angezeigter Masseunzulänglichkeit im Sinne des § 208 Insolvenzordnung (InsO) dauert das Insolvenzverfahren noch an.

Mit Schreiben vom 30.11.2009 verzichtete der Praxisinhaber B gegenüber der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe auf seine Bestellung als Steuerberater. Daraufhin hob die Steuerberaterkammer die bisher angeordnete Praxisvertretung mit Verfügung vom 08.12.2009 auf und bestellte den Kläger mit Verfügung vom 15.12.2009 gemäß § 70 StBerG zum Abwickler der Steuerberaterpraxis. Die Bestellung zum Abwickler wurde nachfolgend zweifach verlängert, zuletzt mit Bescheid der Steuerberaterkammer vom 16.01.2012 bis zum 30.06.2012.

Der bisherige Praxisinhaber B verstarb am 18.12.2009. In der Folgezeit schlugen die bislang bekannten Erben, die Ehefrau und die beiden Töchter des Praxisinhabers, das Erbe gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht wegen Überschuldung des Nachlasses aus.

Mit Schreiben vom 27.11.2009 beantragte der Kläger in seiner Eigenschaft als Praxisabwickler beim Beklagten die Übersendung eines Kontoauszuges der Lohnabzugsbeträge (Lohnsteuer, Kirchensteuer und Nebenforderungen) ab dem Veranlagungszeitraum 2003 bis zum Antragszeitpunkt.

Mit Schreiben vom 17.12.2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er seinem Antrag auf Übersendung der Kontoauszüge nicht entsprechen werde. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn B sei das Verwaltungs- und Verfügungsrecht insofern auf den Insolvenzverwalter übergegangen.

Am 22.12.2009 erschien der Kläger an Amtsstelle. Er erklärte, dass er gegen die Ablehnung seines Ersuchens auf Übersendung von Kontoauszügen Rechtsmittel einlegen werde. Als Grund für sein Ersuchen gab er an, er wolle für die Mandanten des verstorbenen Praxisinhabers prüfen, ob Anfechtungsmöglichkeiten nach dem Insolvenzrecht bestünden. Einige Mandanten seien auch Gläubiger des Herrn B. Durch etwaige Anfechtungen nach der InsO würde die Insolvenzmasse angereichert. Auf den Gesprächsvermerk des Beklagten vom 22.12.2009 wird verwiesen (Verwaltungsakte).

Am 23.12.2009 legte der Kläger Einspruch gegen die Ablehnung seines Antrags auf Vorlage von Kontoauszügen ein. Mit seinem Einspruch beantragte er gleichzeitig Akteneinsicht in die Lohn- und Umsatzsteuerakten sowie die dazugehörigen Vollstreckungsakten ab dem Kalenderjahr 2003. Zur Begründung führte er aus, dass er in seiner Eigenschaft als Praxisabwickler u. a. die laufenden Vorgänge abzuwickeln und dabei Arbeitsergebnisse und sonstige Unterlagen an die Mandanten herauszugeben habe. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, sei es notwendig, eine Übersicht über die zwangsweise (auch per Pfändungs- und Überweisungsbeschluss) von den Mandanten eingezogenen Geldern zu erhalten. Dies sei der Hintergrund der Anträge auf Übersendung der Kontoauszüge betreffend Lohnabzugsbeträge sowie auf Einsicht in die Lohnsteuer-, Umsatzsteuer- und Vollstreckungsakten. Weiterhin führte der Kläger im Rahmen seines Einspruchs aus, dass die Finanzverwaltung nach seinem Kenntnisstand spätestens sei...

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