Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Gemäß § 17 Abs. 1 UStG, der gem. § 14 Abs. 2 entsprechend anwendbar ist, muss der Unternehmer den geschuldeten Steuerbetrag in dem Besteuerungszeitraum berichtigen, in dem die Rechnungsberichtigung vorgenommen wurde. § 17 UStG ist eine abschließende Spezialregelung, die eine steuerliche Rückwirkung der dort erfassten Ereignisse gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ausschließt.

 

Normenkette

UStG § 14 Abs. 2; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; UStG § 17 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 19.05.2015; Aktenzeichen V B 133/14)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob in 2009 und 2010 durchgeführte Rechnungsberichtigungen auf die Jahre 1992 – 2000 zurückwirken mit der – in diesem Verfahren nicht zu entscheidenden – Folge, dass zu Gunsten des Klägers Erstattungszinsen festzusetzen sind.

Der Kläger ist unstreitig seit 31.12.2000 Gesamtrechtsnachfolger der Q/F – GbR (im Folgenden: GbR). Die GbR erbrachte in den Streitjahren 1992 – 2000 Rechtsanwaltsleistungen an russische Aussiedler. Die GbR behandelte einen Teil der Mandate, bei denen im Inland wohnende Kontaktpersonen der ausländischen Übersiedlungswilligen Honorarzahlungen an die GbR geleistet hatten, als umsatzsteuerpflichtig. In den Rechnungen der GbR an die Aussiedler war ein Bruttohonorar inklusive Umsatzsteuer ausgewiesen. Die Umsatzsteuererklärungen der GbR wurden wie folgt abgegeben:

1992 – 1995:

Zeitpunkt unbekannt

1996:

28.11.1997

1997:

25.11.1998

1998:

1999

1999:

13.1.2001

2000:

29.1.2002.

Seit den neunziger Jahren kam es zu Erörterungen zwischen der GbR und deren damaligen Steuerberatern, bei denen die Frage der Steuerbarkeit der oben genannten GbR-Leistungen diskutiert wurde. Mit Schreiben vom 15.4.2002 stellte die GbR eine „verbindliche Anfrage” an den Beklagten zur Frage der Steuerbarkeit der Leistungen. Es wird auf den Schriftsatz vom 15.4.2002 Bezug genommen (Gerichtsakte Bl. 54). Diese Anfrage wurde vom Beklagten mit Schreiben vom 24.5.2002, auf das wegen des Inhalts Bezug genommen wird (Umsatzsteuer-Akte I Bl. 46) abgelehnt.

Im Jahr 2004 erfolgte eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der GbR für die Jahre 2001 – 2002 und die Umsatzsteuer-Voranmeldungszeiträume 1/2003 – 12/2003 und 1/2004. In 2009 ist eine Umsatzsteuersonderprüfung für 2/2009 erfolgt. Die aufgrund der Prüfungen ergangenen Steuerfestsetzungen sind bestandskräftig geworden.

Mit Schriftsatz vom 19.6.2008, auf den Bezug genommen wird (Umsatzsteuer-Akte I Bl. 61), beantragte der Kläger wegen der oben genannten Mandate „für die Jahre 1997 bis 2000 die Erstattung der Umsatzsteuer über insgesamt 226.881,26 €”. Mit Schriftsatz vom 22.12.2008, auf den Bezug genommen wird (Umsatzsteuer-Akte I Bl. 84), beantragte der Kläger für die Jahre 1994 – 1996 eine Erstattung der Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 682.394,24 DM (348.902,63 €).

In den Jahren 2009 und 2010 berichtigte der Kläger die Rechnungen an die Aussiedler und wies die Umsatzsteuer nicht mehr offen aus. Der Beklagte nahm daraufhin für 2009 und 2010 Umsatzsteuererstattungen an den Kläger vor.

Mit Schreiben vom 27.12.2010 an den Beklagten beantragte der Kläger die rückwirkende Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1992 – 2000. Er meint, nach der neueren EuGH Rechtsprechung vom 15.7.2010, C-368/09 – Pannon Gep Centrumwirkten die Rechnungsberichtigungen zurück. Aus Vereinfachungsgründen könne eine Berichtigung der Steuerfestsetzungen für diese Jahre aber unterbleiben. Allerdings sei trotzdem eine Verzinsung vorzunehmen. Es wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 27.12.2010 Bezug genommen (Umsatzsteuer-Akte I Bl. 95).

Der Beklagte lehnte zunächst die Zinsfestsetzungen ab. Dagegen erhob der Kläger Klage, die unter dem Az. 5 K 589/12 U geführt wird. Dieses Klageverfahren wurde gemäß § 74 FGO ausgesetzt bis zur Entscheidung des vorliegenden Verfahrens.

Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag der Umsatzsteuerfestsetzungen für 1992-2000 ab. Der vom Kläger eingelegte Einspruch war erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 23.5.2014).

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kläger meint, die in 2009 und 2010 durchgeführten Rechnungsberichtigungen seien rückwirkende Ereignisse im Sinne von § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die GbR habe für 1992-2000 die Umsatzsteuer gutgläubig gezahlt, weil sie der damaligen Auskunft ihrer Berater gefolgt sei. Erst ab 2002, aufgrund der Einwendungen des Prozessgegners beim Verwaltungsgericht L, dem Bundesverwaltungsamt, das sich gegen die Festsetzung von Prozesskosten einschließlich Umsatzsteuer gewandt habe, sei eine erneute Prüfung erfolgt, die zum Ergebnis gekommen sei, dass die Rechtsanwaltsleistungen an Russlanddeutsche nicht steuerbar gewesen seien. Diese Auffassung habe im Jahr 2006 auch der Beklagte geteilt und zwar nicht nur für die Jahre 2001 – 2003, sondern auch für die Vorjahre.

Der Beklagte habe die Umsatzsteuer für 2001 – 2003 zurückgezahlt. Hierin liege eine tatsächliche Verständigung über die Frage der Steuerbarkeit der Anwaltsle...

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