Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.07.1997; Aktenzeichen VI R 113/95)

 

Tenor

Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 18.10.1988 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 07.12.1988 wird die Einkommensteuer auf 8.401,00 DM festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten für das Revisionsverfahren werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluß:

Der Streitwert wird auf 2.211,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

Streitig ist, ob der Klägerin (Klin.) im Kalenderjahr 1987 der volle Kinder- und Ausbildungsfreibetrag zusteht.

Der Rechtsstreit befindet sich im zweiten Rechtszug.

Die Klin. bezieht als Lehrerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie ist seit 1963 von dem Beigeladenen geschieden. Aus der Ehe gingen die am 10.07.1960 geborenen Söhne U. und M. hervor. Diese befanden sich im Streitjahr 1987 noch in Berufsausbildung. Aufgrund eines Unterhaltstitels vom 05.08.1965 war der Vater der Söhne verpflichtet, diese monatlich mit je 85,00 DM zu unterstützen. Seiner Verpflichtung ist er bis Juli des Streitjahres nachgekommen. Ein Antrag des Sohnes M. auf Erhöhung des Unterhaltsbeitrages blieb im Ergebnis durch Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 03.06.1985 erfolglos.

Die Klin. zahlte an ihre in B. und S. studierenden Söhne, die keine öffentlichen Zuschüsse erhielten, in etwa den damaligen Regelbedarf von jeweils 800,00 DM.

In der Einkommensteuer-(ESt)-Erklärung für 1987 machte die Klin. die vollen Kinderfreibeträge in Höhe von (i.H.v.) jeweils 2.484,00 DM und die vollen Ausbildungsfreibeträge i.H.v. jeweils 3.000,00 DM für jedes Kind mit der Begründung geltend, der Beigeladene habe keinen wesentlichen Unterhaltsbeitrag geleistet.

Das Finanzamt (FA) berücksichtigte pro Kind nur den halben Kinderfreibetrag i.H.v. jeweils 1.242,00 DM und den halben Ausbildungsfreibetrag i.H.v. jeweils 1.500,00 DM.

Die gegen die Einspruchsentscheidung (EE) des FA gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) in seinem Urteil vom 30.05.1990 – II 9080/88 E – im wesentlichen aus, daß im Rahmen des § 32 Abs. 6 Satz 4. Einkommensteuergesetz 1987 (EStG) allein auf die bürgerlich-rechtliche Verpflichtung zur Unterhaltsleistung und nicht auf die Höhe des gesamten Unterhaltsbedarfs abgestellt werde. Das Verhältnis der Höhe der Unterhaltsverpflichtung zum tatsächlichen Unterhaltsbedarf der Kinder sei unerheblich. Gemessen am Bedarf der Kinder i.H.v. monatlich ca. 800,00 DM stelle der vom Beigeladenen zu zahlende Betrag i.H.v. 85,00 DM zwar nur eine unwesentliche Summe dar; dieser Betrag entspreche jedoch dessen an seiner Leistungsfähigkeit gemessenen vollen Unterhaltsverpflichtung. Darüber hinaus seien der Klin. die Ausbildungsfreibeträge nach § 33 a Abs. 2 Satz 5 EStG 1987 nur zur Hälfte zu gewähren, da sowohl ihr als auch dem Beigeladenen ein Kinderfreibetrag zustehe.

Auf die Revision der Klin. hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Vorbescheid vom 10.07.1992 III R 4/91 die finanzgerichtliche Entscheidung aufgehoben und dazu ausgeführt, daß – entgegen Abschnitt 181 a Abs. 2 Satz 2 ESt-Richtlinien (EStR) – ein Elternteil gem. § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG seiner Unterhaltsverpflichtung nicht oder nur unwesentlich nachkomme, wenn sein Beitrag zu den gesamten Unterhaltskosten des Kindes weniger als 20 % betrage.

Auf die dagegen beantragte mündliche Verhandlung des FA ist die Entscheidung des FG schließlich wegen fehlender notwendiger Beiladung des Kindesvaters mit Urteil des BFH vom 25.02.1993 III 4/91 aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen worden. Nach dem o.g. Urteil muß, wenn in einem finanzgerichtlichen Verfahren streitig ist, ob der Kinderfreibetrag des anderen Elternteils auf den Antragsteller gem. § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG zu übertragen ist, der andere Elternteil zum Verfahren notwendig beigeladen werden. Der BFH begründete dies damit, daß die Übertragung des Kinderfreibetrages zu einer Begünstigung des einen Elternteils führe, die eine mit einer Steuerbelastung einhergehende Benachteiligung des anderen Elternteils zur Folge habe. Somit sei nur durch eine gleichzeitige Entscheidung gegenüber beiden Elternteilen im Streitfall gewährleistet, daß widerstreitende Festsetzungen vermieden und der Kinderfreibetrag nicht mehrfach in Anspruch genommen werde. Dem FG ist daher aufgegeben worden, in dem vorliegenden Rechtsstreit die notwendige Beiladung i.S.d. § 60 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) nachzuholen, was mit Beschluß vom 17.09.1993 – 2 K 2616/93 E – geschehen ist.

Im Hinblick auf die zu entscheidende Rechtsfrage ist die Klin. nach wie vor der Auffassung, es seien ihr die vollen Kinderfreibeträge und die vollen Ausbildungsfreibeträge zu gewähren, weil sie nahezu den gesamten monatlichen Unterha...

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