Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzinsung von Darlehensverbindlichkeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verbindlichkeiten sind für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung grundsätzlich mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen.

2. Das Abzinsungsgebot gilt nicht für verzinsliche Verbindlichkeiten, für Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten und für Verbindlichkeiten, die auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.

3. Die Abzinsung erfolgt grundsätzlich nach finanz- oder versicherungsmathematischen Grundsätzen, wobei der BFH und die Finanzverwaltung es für zulässig erachten, aus Vereinfachungsgründen nach §§ 12 ff. BewG zu verfahren.

4. Der Abzinsungszinssatz von 5,5% verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.

 

Normenkette

HGB § 253 Abs. 1 S. 2, Abs. 2; EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 2, 3 S. 2; BewG § 12 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Abzinsung von Darlehensverbindlichkeiten.

Der Kläger betrieb seit dem Jahr 1994 unter der Firma „B” einen Autohandel (Ankauf, Verkauf und Vermittlung von Kfz) in der Rechtsform eines Einzelunternehmens. Seinen Gewinn ermittelte der Kläger im Streitjahr durch Betriebsvermögensvergleich gem. §§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Jahresabschluss zum 31.12.2016 waren u.a. sonstige Verbindlichkeiten i.H.v. insgesamt EUR 46.016,28 ausgewiesen. Hierbei handelte es sich laut Kontennachweis zur Bilanz um zwei Darlehensverbindlichkeiten zum Nennwert i.H.v. EUR 20.451,68 (Konto 1700, Darlehen „C”) sowie i.H.v. EUR 25.564,60 (Konto 1706, Darlehen „D”).

Nachdem der Kläger für das Streitjahr zunächst mit Bescheid vom 16.1.2018 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 der Abgabenordnung (AO) erklärungsgemäß veranlagt worden war, führte der Beklagte (Finanzamt –FA–) beim Kläger auf Grundlage einer Prüfungsanordnung vom 28.5.2018 eine Betriebsprüfung für Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer 2014 bis 2016 durch. Hinsichtlich der beiden Darlehensverbindlichkeiten stellte der Prüfer fest, dass die beiden Darlehen bereits seit 1996 (betreffend das Darlehen „C”) bzw. 1998 (betreffend das Darlehen „D”) in den Bilanzen des Klägers passiviert und seinerzeit weder eine Verzinslichkeit noch der Zeitpunkt und die Modalitäten der Rückzahlung vereinbart worden waren. Da es sich damit um unverzinsliche Darlehen mit unbestimmter Laufzeit handle, müssten die Darlehensverbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG bewertet werden. Unter Zugrundelegung des gesetzlich vorgesehenen Rechnungszinsfußes von 5,5 % (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG) und einer Darlehenslaufzeit von unbestimmter Dauer wandte das FA zur Berechnung des Bilanzansatzes einen Vervielfältiger von 0,503 auf den Nennwert der beiden Darlehensverbindlichkeiten an (unter Bezugnahme auf Tz. 7 des BMF-Schreibens vom 26.2.2005 – IV B 2-S 2175-7/05, BStBl. I 2005, 699). Hieraus ergab sich ein Bilanzansatz i.H.v. EUR 10.287,– für das Darlehen „C” (vgl. Anlage 1 zum Betriebsprüfungsbericht vom 25.1.2019) und i.H.v. EUR 12.859,– für das Darlehen „D” (vgl. Anlage 2 zum Betriebsprüfungsbericht vom 25.1.2019). Die Differenzbeträge i.H.v. EUR 10.165,– bzw. EUR 12.706,– zu den bisherigen Bilanzansätzen behandelte die Betriebsprüfung gewinnwirksam. Die Erfassung des Vorgangs erfolge im letzten Prüfungszeitraum (d.h. im Streitjahr 2016), da lediglich für dieses Jahr Veranlagungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vorgelegen hätten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 25.1.2019 samt Anlagen zur Berechnung der Abzinsungen Bezug genommen.

Das FA folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und erließ unter dem Datum vom 11.4.2019 entsprechende Änderungsbescheide zur Einkommensteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag 2016. Hierin erhöhte das FA die steuerpflichtigen Einkünfte des Klägers aus Gewebetrieb um den Abzinsungsbetrag i.H.v. EUR 22.871,– (Einkünfte aus Gewerbebetrieb nunmehr EUR 68.870,–) und legte den erhöhten Gewinn aus Gewerbetrieb auch der Berechnung des Gewerbesteuermessbetrags zugrunde. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob das FA jeweils auf. Die hiergegen mit Schreiben vom 29.4.2019 erhobenen Einsprüche des Klägers blieben erfolglos. Mit Einspruchsentscheidung vom 15.5.2020 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück.

Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Während er im Rahmen des Einspruchsverfahrens unter anderem noch vortrug, jedenfalls das Darlehen „D” sei – anders als das Darlehen „C” – nicht unverzinslich vereinbart worden, da mit der Hingabe der Darlehensvaluta andere wirtschaftliche Vorteile für den Darlehensgeber (vergünstigte Einkaufsbedingungen verbunden mit Erlösen aus Pkw-Verkäufen) verbunden gewesen sein sollen, hält der Kläger hieran zur Begründung der vorliegenden Klage nicht mehr fest. Vielmehr stützt der Kläger seine Klage ausschließlich auf verfassungsrechtliche Einwände gegen die Höhe des für die Abzinsung gesetzlich vorgesehenen Zinssatzes von 5,5 %. So handle es sich zwar bei beiden Darleh...

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