Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des Entlassungsgeldes eines Zivildienstleistenden beim anteiligen Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 S. 6 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Entlassungsgeld eines Zivildienstleistenden ist als Überbrückungshilfe für die Zeit nach Beendigung der Dienstzeit nicht lediglich dem auf die Entlassung folgendem Monat, sondern einem zeitlich nicht fest umrissenen, im Einzelfall möglicherweise unterschiedlich langem Zeitraum zuzurechnen.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4, 4 Sätze 1, 1 Nrn. 1-2, Sätze 2, 6-7, § 33 a Abs. 2, 2 S. 4, Abs. 4, 4 Sätze 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.01.2003; Aktenzeichen VIII R 71/01)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin (Klin.) Kindergeld für ihren Sohn … (U.) für den Monat Dezember 1999 zusteht.

Der am 15.05.1976 geborene U. leistete bis einschließlich November 1999 seinen Ersatzdienst im evangelischen Krankenhaus in W. ab. Im Monat Dezember 1999 erhielt er ein Entlassungsgeld i.H.v. 1.500 DM.

Bereits am 06.10.1999 hatte die Klin. unter Hinweis auf die Beendigung des Zivildienstes am 30.11.1999 sowie den Studienbeginn im März 2000 Kindergeld ab Dezember 1999 für U. beantragt. Mit Bescheid vom 22.12.1999 lehnte der Bekl. die Gewährung von Kindergeld für Dezember 1999 ab. Zur Begründung führte er aus, für ein über 18 Jahre altes Kind könne Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht gewährt werden, wenn es Einkünfte und Bezüge von mehr als 13.020 DM im Kalenderjahr habe, die zur Bestreitung seines Unterhaltes oder seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien. U. habe im Monat Dezember das Entlassungsgeld i.H.v. 1.500 DM erhalten, das den anteiligen Grenzbetrag von 1.085 DM (1/12 aus 13.020 DM) übersteige. Dem Kindergeldantrag könne daher erst ab Januar 2000 entsprochen werden.

Die Klin. legte gegen den Ablehnungsbescheid am 07.01.2000 Einspruch ein, den der Bekl. mit Einspruchsentscheidung vom 05.06.2000 als unbegründet zurückwies. Wegen der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit der am 29.06.2000 erhobenen Klage verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter. Zur Begründung führt sie aus, aus der Gesamtabrechnung des evangelischen Krankenhauses W. ergebe sich, daß das Gesamtjahresbruttoeinkommen für U. im Jahre 1999 lediglich 11.970,20 DM betragen habe und damit unter dem Jahresgrenzbetrag von 13.020 DM liege. Kindergeld sei daher zu gewähren.

Die Klin. beantragt,

den Bescheid des Bekl. vom 22.12.1999 sowie die Einspruchsentscheidung vom 05.06.2000 aufzuheben und den Bekl. zu verpflichten, Kindergeld für den Monat Dezember 1999 antragsgemäß zu gewähren.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, die Klin. habe bis zum Ende des Zivildienstes keinen Anspruch auf Kindergeld für U. gehabt. Der Anspruchszeitraum im Streitjahr 1999 umfasse nur den Monat Dezember 1999. Der anteilige Jahresgrenzbetrag betrage insoweit 1.085 DM. Das im Monat Dezember 1999 bezogene Entlassungsgeld übersteige diesen Grenzbetrag, so daß die Gewährung von Kindergeld nicht in Betracht komme. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 27.07.2000 verwiesen.

Der Senat entscheidet nach § 94 a Finanzgerichtsordnung (FGO) – der Streitwert übersteigt vorliegend 1.000 DM nicht – ohne mündliche Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Die Klin. hat für U. nach §§ 62, 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Nr. 2a, 3 EStG Anspruch auf Kindergeld für den Monat Dezember 1999.

Der Kindergeldanspruch für den Monat Dezember 1999 ist entgegen der Auffassung des Bekl. nicht wegen der Höhe der Einkünfte und Bezüge von U. zu versagen.

Nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG wird ein Kind i.S.v. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12.000 DM im Kalenderjahr hat (Jahresgrenzbetrag). Dieser Betrag ermäßigt sich nach § 32 Abs. 4 S. 6 EStG für jeden Kalendermonat um 1/12, in dem die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung nach S. 1 Nr. 1 und 2 nicht vorliegen (Kürzungsmonate). Bei der Prüfung, ob der sich danach ergebende anteilige Jahresgrenzbetrag überschritten ist, bleiben nach § 32 Abs. 4 S. 7 EStG diejenigen Einkünfte und Bezüge des Kindes außer Ansatz, die auf die Kürzungsmonate entfallen.

Wegen der Ableistung seines Ersatzdienstes im evangelischen Krankenhaus in W. war U. bis zum 30.11.1999 nicht als Kind i.S. der vorgenannten Vorschrift zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung von 11 Kürzungsmonaten ergibt sich damit ein maßgeblicher Jahresgrenzbetrag von 1.085 DM.

Entgegen der Auffassung des Bekl. ist diesem Jahresgrenzbetrag nicht die gesamte im Dezember 1999 zugeflossene Entschädigungszahlung gegenüberzustellen. Auf welchen Monat Einkünfte und Bezüge „entfallen”, ist nämlich nicht nach dem Zuflußzeitpunkt, sondern nach der wirtschaftlichen Zurechnung zu bestimmen (vgl. BFH, Urteil vom 01.03.2000 Az.: VI R 162/98, BStBl. 2000, 459). Nach der ...

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