Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattungsanspruch nach § 77 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Bei einem erfolgreichen Einspruchsverfahren gegen einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO in Kindergeldangelegenheiten besteht ein Anspruch auf Erstattung der notwendigen Auslagen analog § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG.

2) § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG findet auch dann Anwendung, wenn sich das Einspruchsverfahren anderweitig als durch Einspruchsentscheidung oder Abhilfe erledigt und das Einspruchsverfahren ohne dieses erledigende Ereignis Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

 

Normenkette

EStG § 77 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.06.2015; Aktenzeichen III R 31/14)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger gemäß § 77 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Aufwendungen für ein Einspruchsverfahren zu ersetzen, welches einen Abrechnungsbescheid über Kindergeld betraf und sich anderweitig als durch Einspruchsentscheidung erledigt hat.

Der in Deutschland lebende Kläger ist serbischer Staatsangehöriger. Er besitzt eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland und bezog im Streitzeitraum (August 2012 bis Februar 2013) Sozialleistungen nach den Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG). Im Haushalt des Klägers lebt sein am 13.04.2005 geborener Sohn F.

Im August 2012 stellte der Kläger für seinen Sohn F einen Antrag auf Kindergeld. Diesbezüglich teilte die Stadt D der Familienkasse mit Schreiben vom 22.08.2012 mit, dass der Kläger in der Vergangenheit Sozialleistungen nach den Bestimmungen des AsylbLG erhalten habe und dass deshalb ein Erstattungsanspruch der Stadt D hinsichtlich nachträglich festgesetzten Kindergeldes in Betracht komme. Die Höhe eines solchen Erstattungsanspruchs müsse noch ermittelt werden. Die Erstattung werde aber vorsorglich schon jetzt beantragt. Mit Schreiben vom 13.02.2013 teilte die Stadt D der Familienkasse ohne die Angabe von Berechnungsgrundlagen mit, dass sich der Erstattungsanspruch für den Zeitraum vom 01.08.2012 bis zum 28.02.2013 auf 1.288,00 EUR belaufen würde.

Mit Bescheid vom 18.02.2013 setzte die Familienkasse gegenüber dem Kläger für seinen Sohn F Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR monatlich ab August 2012 laufend fest. Zugleich führte sie aus, dass der Anspruch für den Zeitraum von August 2012 bis Februar 2013 in Höhe von 1.288,00 EUR nach § 74 Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als erfüllt gelte. Hierzu führte die Familienkasse zur Begründung aus, dass die Sozialhilfeverwaltung der Stadt D in dieser Höhe einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG in Verbindung mit §§ 103, 104 SGB X geltend gemacht habe, da für diesen Zeitraum Sozialleistungen ohne Anrechnung von Kindergeld gewährt worden seien. Für diesen Zeitraum werde daher kein Kindergeld an den Kläger ausgezahlt.

Hiergegen erhob der Kläger über seinen hiesigen Prozessbevollmächtigten am 22.02.2013 Einspruch. Zugleich beantragte er Akteneinsicht und die Übersendung des Schreibens der Stadt D, mit welchem diese der Familienkasse die Höhe des behaupteten Erstattungsanspruchs mitgeteilt habe. Eine weitere Einspruchsbegründung werde nach Akteneinsicht und Überprüfung des von der Stadt D geltend gemachten Erstattungsanspruchs nachgereicht.

Daraufhin teilte die Familienkasse dem Kläger mit Schreiben vom 26.02.2013 mit, dass in einem Verwaltungsverfahren, welches Kindergeld betreffe, kein Anspruch auf Akteneinsicht bestehe. Es bestünde lediglich ein Anspruch auf „Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen”. Hierfür sei aber vorab eine schriftliche Originalvollmacht zu übersenden.

Mit Schreiben vom 25.03.2013 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Familienkasse mit, dass er zwischenzeitlich unmittelbar zu der Stadt D Kontakt aufgenommen habe, um mit dieser eine Klärung über die Höhe des Erstattungsanspruch herbeizuführen. Hinsichtlich der laufenden Frist zur weiteren Begründung des Einspruchs beantragte er eine Fristverlängerung, welche ihm die Familienkasse gewährte.

Die Überprüfung des Erstattungsanspruchs seitens der Stadt D ergab, dass die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs um einen Betrag von 49,04 EUR überhöht gewesen war. Dies teilte die Stadt D dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 18.04.2013 mit. Die überzahlten 49,04 EUR zahlte die Stadt D direkt an den Kläger aus.

Mit Schreiben vom 24.04.2013 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Familienkasse mit, dass die Stadt D zwischenzeitlich ihren Erstattungsanspruch überprüft habe und insoweit eine erhaltene Überzahlung in Höhe von 49,04 EUR unmittelbar an den Kläger weitergeleitet habe. Dem Einspruch vom 22.02.2013 sei damit abgeholfen worden. Wegen dieser Abhilfe beantrage er, der Familienkasse die Kosten des Einspruchsverfahrens aufzulegen sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Einspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

Mit Schreiben vom 26.04.2013 lehnte die Familienkasse die Erstattung von Kosten für das Einspruchsverfah...

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