Entscheidungsstichwort (Thema)

Geringfügige Beschäftigung, Zufluß, Verdienstgrenze

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG a.F. kommt nicht in Betracht, soweit die am Entstehungsprinzip ausgerichtete sozialversicherungsrechtliche Geringfügigkeitsgrenze im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV überschritten ist. Für eigenständige steuerliche Billigkeits- oder Geringfügigkeitsüberlegungen, insbesondere eine Orientierung am Zuflussprinzip, besteht insoweit kein Auslegungsspielraum (entgegen FG Münster, Urteil vom 03.11.2004, 10 K 3345/03 L, EFG 2005, 262).

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1; SGB IV § 8 Abs. 1 Nr. 1; EStG a.F. § 3 Nr. 39

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist über eine Lohnsteuernachforderung nach Steuerfreistellung des Arbeitslohns für geringfügig Beschäftigte nach § 3 Nr. 39 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Bei dem Kläger führte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) im Jahr 2001 eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) durch. Die Prüferin stellte fest, dass für geringfügig Beschäftigte gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) die Zahlung des Urlaubsgeldes und der Sonderzahlung nicht bzw. nicht in entsprechender Höhe des Manteltarifvertrags für den … des Landes Nordrhein-Westfalen gezahlt worden war. Dieser Tarifvertrag war gemäß § 5 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) für allgemeinverbindlich erklärt worden. Diese Feststellungen führten zur Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Im Oktober 2001 führte der Beklagte bei dem Kläger eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Der Prüfer stellte unter Hinweis auf das Ergebnis der Prüfung durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte fest, dass für folgende Arbeitnehmerinnen in dem Zeitraum 1. April 1999 bis 30. April 2001 unter Berücksichtigung tarifvertraglich geschuldeter Einmalzahlungen für Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die unstreitig jährlich 1.200 DM bzw. 790 DM für eine Vollzeitbeschäftigte betragen, das laufende Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze in Höhe von 630 DM monatlich überschritten hatte:

1999

2000

2001

B.

B.

F.

F.

F.

H1.

H1.

L.

L.

T.

T.

U.

Mangels Beschäftigung i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV sei das Arbeitsentgelt nicht gemäß § 3 Nr. 39 EStG steuerbefreit. Steuerpflichtig seien aber nur die tatsächlich gezahlten Beträge. Wegen der Einzelheiten, auch zur Höhe der nachgeforderten Lohnsteuern, wird auf Tz. 3 des Außenprüfungsberichts vom 09.11.2001 verwiesen. Ein entsprechender Nachforderungsbescheid erging am 16.11.2001.

Mit dem Einspruch vertrat der Kläger die Auffassung, für die Festsetzung der Grenzen bei den geringfügig Beschäftigten könne nicht entsprechend zum Sozialversicherungsrecht das Entstehungsprinzip maßgebend sein. Steuerlich gelte das Zuflussprinzip. Nach den zugeflossenen Arbeitslöhnen seien die Grenzen des § 3 Nr. 39 EStG eingehalten. Zahle ein Arbeitgeber untertariflich, seien aus dem nicht oder zu wenig gezahlten Arbeitsentgelt keine Steuern zu zahlen, weil die Einnahmen nicht zugeflossen seien.

Mit der Einspruchsentscheidung vom 11.01.2002 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 39 EStG sei nicht zu gewähren. Auf Grund des Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze lägen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nicht vor. Der Verzicht von Arbeitnehmern auf die Auszahlung arbeitsvertraglich zugesicherter Leistungen sei unbeachtlich, da Beiträge zur Sozialversicherung auch für geschuldetes, bei Fälligkeit nicht gezahltes Arbeitsentgelt zu entrichten seien. Der Steuerpflicht unterliege jedoch nur der tatsächlich zugeflossene Arbeitslohn.

Mit der Klage wiederholt und vertieft der Kläger sein außergerichtliches Vorbringen. Der Rechtsstreit wegen der Versicherungsbeiträge vor dem Sozialgericht Z. S … KR …/02 wurde durch Vergleich vom 02.06.2004 in der Hauptsache erledigt. Hiernach sollte für die Entscheidung der Rechtsfrage, ob der Kläger bei untertariflicher Bezahlung seiner Arbeitnehmer trotz Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages Gesamtsozialversicherungsbeiträge aus dem geschuldeten Arbeitsentgelt oder dem gezahlten Entgelt zu entrichten habe (Geltung des Entstehungsprinzips im Beitragsrecht der Sozialversicherung) der Ausgang der Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) B 12 KR 7/03 R und B 12 KR 10/03 R maßgeblich sein. Mit Urteilen vom 14. Juli 2004 B 12 KR 1/04 R (BSGE 93, 119), B 12 KR 7/03 R (juris) und B 12 KR 10/03 R (juris) bestätigte das BSG die Geltung des Entstehungsprinzips.

Der Kläger trägt nunmehr vor, es möge zutreffend sein, dass § 3 Nr. 39 EStG an die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts anknüpfte, um die Steuerfreiheit von Lohnzahlungen beurteilen zu können. Es möge auch sein, dass das BSG das Entstehungsprinzip präferiert habe. Im Steuerrecht gelte jedoch das Zuflussprinzip. Es habe eine getrennte Beurteilung nach Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht zu erfolgen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 03...

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