Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für zubereitete Speisen; Abgrenzung Lieferung und sonstige Leistung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Abgabe verzehrfertiger Speisen an ein Seniorenzentrum stellen die Speiseplanerstellung, das Zubereiten der Menüs, die Portionierung der Bestandteile, die verzehrfertige und zeitgerechte Übergabe wesentliche Merkmale dar. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich um Dienstleistungen, die nicht hinter der bloßen Verschaffung der Verfügungsmacht an den zubereiteten Speisen zurückstehen, sondern ihr mindestens gleichwertig sind.

 

Normenkette

Anlage 2 zum UStG Nr. 12; UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) i. V. m. der Anlage 2 zum UStG.

Die Klägerin (Klin.) betreibt ein Dienstleistungsunternehmen, welches insbesondere die Reinigung von Wohnräumen, die Herstellung und den Handel von Speisen, Party-Service, die Pflege von Textilien und den Handel mit Wirtschaftsgütern anbietet. Mit dem Seniorenzentrum N GmbH hatte die Klin. u. a. einen sog. Küchen-Full-Servicevertrag, auf den Bezug genommen wird, abgeschlossen. In diesem Vertrag heißt es auszugsweise wie folgt:

㤠1 Vertragsgegenstand

Gegenstand dieses Vertrages ist die Übernahme der Küchenversorgung, Herstellung der Mahlzeiten für die obengenannte Einrichtung mit zur Zeit 51 stationären Plätzen (einschließlich 3 Kurzzeitplätze) gemäß des in der Anlage zu diesem Vertrag befindlichen Leistungsverzeichnisses als Bestandteil dieses Vertrages.

…”

Im Leistungsverzeichnis heißt es wie folgt:

„A. Normalkostessenszubereitung

  • Speiseplanerstellung,
  • Zubereiten von Frühstück und/oder Frühstücksbuffet (verschiedene Brote, Brötchen, Kaffee, Tee, Milch, Wurstaufschnitte, Käse, Gelee, Marmeladen, Milchspeisen, Eier, Diätbrot und -aufstriche),
  • Zubereiten von Mittagessen entsprechend dem Speiseplan (Vorsuppe, Hauptmenü, Nachtisch),
  • Zubereiten von Nachmittagskaffee (Kaffee und Tee, ein Stück Kuchen oder Brot mit Aufstrich),
  • Zubereiten von Abendbrot (wie beim Frühstück; jedoch keine Eier und Kaffee)

B. Diätkostessenszubereitung

  • Diätplanerstellung,
  • Zubereiten von regelmäßigen, notwendigen Diätspeisen für alle Mahlzeiten (diabetikergerecht, z. B. auch nach Broteinheiten, salzarm, salzlos, galleschonend, fettarm)

C. Essenszeiten Die fertigen Produkte bzw. Leistungen sind zu folgenden Tageszeiten zu erbringen:

  • 8.00 Uhr Fertigstellung Frühstück
  • 12:00 Uhr Fertigstellung Mittagessen
  • 15:00 Uhr Fertigstellung Kaffee
  • 17:30 Uhr Fertigstellung Abendbrot

Die Verteilung der fertigen Produkte ist Sache des Auftraggebers.”

Die Klin. bereitete die Speisen und Getränke in der angemieteten Küche im Gebäude des Seniorenzentrums zu. Das bereits teilweise portionierte Essen stellte sie auf vom Seniorenzentrum bereitgestellte Tabletts bzw. Servierwagen, welche durch das Personal des Seniorenzentrum s abgeholt wurde. Den Transport der Speisen in den Gemeinschaftsraum bzw. auf die Stationen und Pflegezimmer und die Ausgabe der Speisen an die Bewohner des Seniorenzentrums übernahm das Pflegepersonal des Seniorenzentrums. Hierbei war die Darreichung der Speisen an die Heimbewohner auf die individuellen Belange der einzelnen Personen abzustellen. Die anschließende Geschirr-Reinigung übernahm die Klin. Diese bereitete auch Kaffee und Tee, portioniert in großen Kannen bzw. sog. Kännchen, welche ebenfalls vom Personal des Seniorenzentrums transportiert und verteilt und von der Klin. anschließend gereinigt wurden, zu. Sämtliches Geschirr, Besteck und sämtliche Transportmittel standen im Eigentum des Seniorenzentrums.

Die Klin. behandelte die Lieferungen von Speisen, Kaffee und Tee an das Seniorenzentrum als dem ermäßigten Umsatzsteuer(USt-)Satz von 7 % unterliegende Lieferungen.

Im Rahmen einer bei der Klin. durchgeführten USt-Sonderprüfung (Bericht vom 08.12.2004) stellten die Prüfer fest, dass es sich bei den Lieferungen von Speisen an das Seniorenzentrum nicht um begünstigte Lieferungen handele, da neben den Essenslieferungen noch Dienstleistungen durch Reinigung des Geschirrs erfolgten. Die Lieferungen von Kaffee und Tee würden von vornherein nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, weil das jeweils fertig zubereitete Getränk nicht begünstigt sei.

Daraufhin erließ der Beklagte (Bekl.) unter dem 08.04.2005 gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte USt-Bescheide für die Zeiträume 2002 und 2003 und unterwarf die streitigen Lieferungen nunmehr dem Regelsteuersatz von 16 %. Des Weiteren erließ er unter dem 06.04.2005 ebenfalls gemäß § 164 Abs. 2 AO entsprechend geänderte USt-Vorauszahlungsbescheide für die Voranmeldungszeiträume 01-08/2004. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb jeweils bestehen.

Mit ihren hiergegen gerichteten Einsprüchen vom 07.06.2005, die die Klin. zugleich mit Änderungsanträgen gemäß § 164 Abs. 2 AO verband, machte die Klin. geltend, dass begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vorliegen würden. Sie erbringe vo...

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