Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückstellung für öffentlich-rechtliche Abbruchverpflichtung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die zur Bildung oder Beibehaltung einer Rückstellung notwendige, zum Bilanzstichtag bestehende konkrete öffentlich-rechtliche Abbruchverpflichtung liegt vor, wenn eine entsprechende Verfügung der zuständigen Behörde erlassen worden ist, die ein bestimmtes Handeln des Verpflichteten vorsieht oder wenn sich eine derartige Verpflichtung aus dem Gesetz ergibt. Letzteres ist anzunehmen ist, wenn das Gesetz ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln in sachlicher Hinsicht vorsieht, wenn es in zeitlicher Hinsicht ein Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums fordert, wenn dieses Handlungsgebot sanktionsbewehrt und damit durchsetzbar ist und wenn die Behörde Kenntnis davon hat, dass der Betreffende dieser Verpflichtung unterliegt.

2) Eine hinreichende Konkretisierung in Form einer behördlichen Verfügung ist nicht gegeben, wenn in einem Schreiben der zuständigen Behörde eine Ordnungsverfügung lediglich "angedroht" oder "in Erwägung gezogen" wird.

3) Eine gesetzliche Abbruchverpflichtung ist nicht gegeben, wenn das Gesetz - hier §§ 20, 21 BImSchG - die Verletzung von Regelungen nicht unmittelbar sanktioniert, sondern einen gesonderten Genehmigungswiderruf bzw. eine Untersagungs-/Stilllegungs- oder Beseitigungsverfügung vorsieht.

 

Normenkette

HGB § 249 Abs. 1 S. 1; BImSchG § 20 Abs. 1, § 21; EStG § 5 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob der Beklagte (Bekl.) berechtigt war, für das Streitjahr 1999 eine Rückstellung gewinnerhöhend aufzulösen, die für Abbruchkosten in voraussichtlicher Höhe von … DM für eine vermietete Produktionsstätte zunächst im Wirtschaftsjahr 1993 mit einem Ursprungswert von … DM und später im Wirtschaftsjahr 1999 mit dem erhöhten Wert von … DM gebildet worden war.

Die Klägerin (Klin.) – die I1. Z. Immobilien-Verwaltungs-GmbH und Co KG – ist Eigentümerin einer Produktionsstätte in P., … mit dazugehörigem Grund und Boden. Auf dem Grundbesitz, der von allen Seiten durch Wohnbebauung umgeben ist (vgl. Luftbildaufnahme Blatt 42 der Gerichtsakte), wird ein …werk mit …geschäft betrieben. Ursprünglich wurde der Betrieb von der Fa. „I1. Z. …handel und …werk GmbH & Co. KG”, der Rechtsvorgängerin der Klin., betrieben. Diese hatte bereits zum 30.06.1992 eine Rückstellung für Abbruchkosten in Höhe von … DM in ihrer Bilanz gebildet (vgl. Tz. 7, 8 und 12 des Betriebsprüfungsberichts vom 18.09.1998). Bei der Rechtsvorgängerin der Klin. und bei der Klin. selbst war diese Rückstellung dann zunächst im Jahre 1993 auf … DM erhöht worden und später, im Wirtschaftsjahr 1999, auf … DM. Die Höhe der voraussichtlich anfallenden Abbruchkosten ist aufgrund eines Gutachtens des Architekten Y. vom 18.09.1998 unstreitig und zwar auch mit dem im Wirtschaftsjahr 1999 angesetzten Betrag von … DM (vgl. Tz. 12 des Betriebsprüfungsberichtes vom 18.09.1998 und Tz. 2.2.1 vom 12.06.2003). Die nach Ansicht der Klin. gebotene Bildung der Rückstellung beruht auf folgendem, zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalt:

Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt hatte bereits im Jahre 1993 und ihm folgend das später für die Angelegenheit zuständige Staatliche Umweltamt … im Jahre 1995 Bedenken gegen den Betrieb des …werkes in der damaligen Form geäußert. Diese Bedenken bezogen sich auf Luftverunreinigungen und später auch auf die Lärmentwicklung durch den Betrieb.

Mit Schreiben vom 27.05.1993 (Blatt 40 und 41 der Gerichtsakte) hat das damals zuständige Gewerbeaufsichtsamt eine Ordnungsverfügung angedroht. Danach sollten Schüttgossen umgebaut werden und mit Rolltoren versehen werden. Ferner sollte eine Absauganlage eingebaut werden. Sofern diese Maßnahmen nicht bis zum 28.02.1994 durchgeführt sein sollten, wurde angedroht, dass die Schüttgossen solange nicht betrieben werden dürfen, bis die Maßnahme durchgeführt sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts vom 27.05.1993 verwiesen.

In der Folgezeit kam es zu Besprechungen mit der Behörde. Dabei wurde von Seiten der Rechtsvorgängerin der Klin. u. a. darauf hingewiesen, dass auch eine Betriebsverlagerung beabsichtigt sei. Eine schriftliche Vereinbarung wurde jedoch nicht getroffen. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt und das später zuständige Staatliche Umweltamt unternahmen zunächst bis in das Jahr 1995 hinein (und später bis zum Jahr 2003) keine weiteren Maßnahmen (vgl. Schriftsatz der Klin. vom 22.02.2005, Seite 2, Blatt 48 der Gerichtsakte sowie die vorhergehende Verfügung des Berichterstatters vom 11.01.2005, Blatt 44 und 45 der Gerichtsakte).

Im März 1995 kam das Staatliche Umweltamt auf die Androhung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes vom 27.05.1993 zurück, eine Ordnungsverfügung zu erlassen. Grund hierfür war die Tatsache, dass die Klin. ihren Antrag auf Genehmigung zur Errichtung eines neuen …werkes in M. wegen Änderungen in ihrem Unternehmen zurückgezogen hatte. Zuvor war von der Klin. im Industriegebiet in M. ein Grundstück...

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