Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuererhöhung aufgrund nachträglich bekannt gewordener zutreffender Entnahmewerte kein rückwirkendes Ereignis

 

Leitsatz (redaktionell)

Es liegt kein rückwirkendes Ereignis vor, wenn nach Erlass des Erbschaftsteuerbescheids Nachlassverbindlichkeiten in Gestalt von Einkommensteuerschulden deshalb höher werden, weil dem FA erst im Rahmen einer Betriebsprüfung der zutreffende -höhere- Entnahmewert für ein Grundstück des Erblassers bekannt wird.

 

Normenkette

AO 1977 § 175 Abs. 1 Sätze 1, 1 Nr. 2; ErbStG § 10 Abs. 5, 5 Nr. 1; AO 1977 § 175 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.12.2004; Aktenzeichen II R 35/03)

BFH (Urteil vom 14.12.2004; Aktenzeichen II R 35/03)

 

Gründe

Streitig ist die Verpflichtung des Finanzamtes (FA), einen Erbschaftsteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.

Der Kläger (Kl.) hat seinen am 21.02.1993 tödlich verünglückten Vater beerbt. Durch Bescheid vom 29.07.1993 setzte das FA die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 89.402 DM fest. Später änderte das FA die Erbschaftsteuerfestsetzung durch Bescheid vom 03.07.1996 auf 417.352 DM und hob den Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 AO auf. Auf den Einspruch des Kl. hin, der den Ansatz von Steuererstattungsansprüchen betraf, erließ das FA am 23.07.1996 einen nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO geänderten Erbschaftsteuerbescheid mit einer auf 394.050 DM festgesetzten Erbschaftsteuer.

Mit Schreiben vom 17.01.2000 und vom 06.03.2000 beantragte der Kl. die Änderung des Erbschaftsteuerbescheides nach § 175 Abs. 1 Satz 1 AO. Es seien noch die nach einer im Jahre 1998 durchgeführten Betriebsprüfung durch Bescheid vom 07.12.1999 auf 258.065,78 DM festgesetzten Einkommensteuer und Kirchensteuerschulden des Erblassers für 1993 zu berücksichtigen. Ereignisse, die bei Erlass des Bescheides noch nicht vorgelegen hätten, seien nachträglich steuerlich zu berücksichtigen, wenn sie in die Vergangenheit zurückwirkten.

Das FA lehnte die beantragte Änderung durch Bescheid vom 31.03.2000 ab, da die Festsetzungsfrist am 31.12.1997 abgelaufen sei. Der Einkommensteuerbescheid 1993 sei am 19.07.1995 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kl. Einspruch ein. Seiner Auffassung nach handele es sich um ein rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 AO. Das rückwirkende Ereignis sei darin zu sehen, dass das FA gegen Treu und Glauben auf Zeiträume zurückgegriffen habe, die nach von ihm vermittelter Überzeugung abgeschlossen gewesen seien.

Der Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 27.09.2000 verwies das FA darauf, dass das nachträgliche Ereignis zu einer Änderung des Sachverhalts, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung zu Grunde gelegt habe, führen müsse. Ein geänderter Sachverhalt liege im Streitfall aber nicht vor.

Mit der Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt er im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, das sach-verhaltsändernde rückwirkende Ereignis sei die nachträgliche Erhöhung der Nachlassverbindlichkeiten. Es sei nachträglich eine erhöhte Steuerschuld von rund 258.000 DM entstanden. Bei Erteilung des Erbschaftsteuerbescheides habe er nicht mehr damit rechnen können, dass für 1993 eine Einkommensteuernachzahlung entstehen werde. Dies sei ein Fall des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Der Kl. beantragt,

das FA zu verpflichten, den Erbschaftsteuerbescheid vom 23.07.1996 in der Weise zu ändern, dass bei Berechnung der Bemessungsgrundlage die Nachlassverbindlichkeiten um 258.065,78 DM erhöht werden.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Erhöhung von Nachlassverbindlichkeiten sei kein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, sondern eine neue Tatsache i. S. d. § 173 AO. Der vorhandene Sachverhalt sei bereits bei Ergehen des Erbschaftsteuerbescheides vom 23.07.1996 bekannt gewesen. Durch den Einkommensteuerbescheid 1993 sei lediglich die Höhe der Nachlassverbindlichkeiten erweitert worden. Die Vorschrift des § 169 AO diene dem Rechtsfrieden. Der Ablauf der Festsetzungsfrist könne sich zu Gunsten wie auch zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirken.

Wegen des weiteren Sach – und Streitstandes und des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der Steuerakten und der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Parteien haben zur Entscheidung des Rechtsstreits auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die Klage ist nicht begründet.

Im Streitfall hat der Senat schon Zweifel, dass es sich bei den durch Bescheid vom 07.12.1999 auf 258.065 DM festgesetzten Einkommensteuer- und Kirchensteuerschulden um Schulden handelt, die nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind. Gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, die vom Erblasser herrührenden Schulden. Zu den Erblasserschulden gehören Schulden, die

  1. schon zu Lebzeiten des Erblassers entstanden waren,
  2. mit dem Erbfall entstehen,
  3. nach dem Erbfall entstehen, für die abe...

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