Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug; Versagung; Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der den Vorsteuerabzug begehrende Stpfl. trägt dafür die Beweislast, dass keine Scheinlieferungen vorliegen, sondern tatsächliche wirtschaftliche Vorgänge, mittels derer er die Verfügungsmacht an der Ware erhalten hat. Das Recht auf Vorsteuerabzug kann nur dann grds. nicht versagt werden, wenn die in Rede stehenden Lieferungen von Gegenständen tatsächlich bewirkt und die Gegenstände vom Stpfl. auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet worden sind.

2. Ein bloßer Scheinsitz genügt – in Abgrenzung zu einem Briefkastensitz – nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung.

 

Normenkette

UStG § 14 Abs. 4 Nr. 1, §§ 14a, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ein Recht zum Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen der Firmen Schrott- und Metallhandel P L und B L Gerüstbau zusteht.

Der Kläger betrieb im Streitjahr 2010 eine Gerüstbaufirma in Form eines Einzelunternehmens. Eine Umsatzsteuererklärung bzw. eine Gewinnermittlung oder Bilanz für seinen Betrieb gab er für das Streitjahr nicht ab.

Das Finanzamt für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen C führte ab dem 20.02.2013 eine Steuerfahndungsprüfung hinsichtlich des Klägerunternehmens für das Streitjahr 2010 durch. Im Rahmen dieser Prüfung wurde eine vollständige Buchführung nicht vorgelegt, der Kläger reichte jedoch eine vorläufige Gewinnermittlung und eine Bilanz für 2010 ein. Es lag lediglich eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 vor, Umsatzsteuererklärungen und Gewerbesteuererklärungen für 2010 wurden nicht eingereicht (B. 5. des Prüfungsberichtes der Steuerfahndung vom 01.04.2015, Bl. 19 der Umsatzsteuerakte).

Wegen der Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung schätzte der Beklagte die Umsätze auf der Grundlage der Gewinnermittlung und ging von Netto-Umsätzen zu 19% in Höhe von 335.466,17 € (USt. 63.738,57 €) aus (D. 9. des Prüfungsberichtes der Steuerfahndung vom 01.04.2015, Bl. 20 der Umsatzsteuerakte). Er versagte jedoch den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firmen Schrott- und Metallhandel P L und B L Gerüstbau in Höhe von insgesamt 7.174,40 € (D. 7. des Prüfungsberichtes der Steuerfahndung vom 01.04.2015, Bl. 19 der Umsatzsteuerakte) und kürzte dementsprechend die Vorsteuer laut Bilanz in Höhe von 58.869,63 € auf 51.695,23 €. Es ergab sich mithin eine Umsatzsteuer in Höhe von 12.043,34 € (D. 9. des Prüfungsberichtes der Steuerfahndung vom 01.04.2015, Bl. 20 der Umsatzsteuerakte). Wegen der Einzelheiten wird insgesamt auf den Prüfungsbericht vom 01.04.2015 (Bl. 18 ff. der Umsatzsteuerakte) verwiesen.

Die Feststellungen der Steuerfahndung C setzte der Beklagte im Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 19.05.2015 um (Bl. 19 ff. der Gerichtsakte).

Hiergegen legte der Kläger am 16.06.2015 Einspruch ein. Der Bescheid sei bereits deshalb rechtswidrig, weil keine Schlussbesprechung durchgeführt worden sei, obwohl eine solche von der Abgabenordnung als zwingend vorgesehen sei. Zudem sei ihm ein Entwurf des Schlussberichtes nicht vorab zur Stellungnahme zugeleitet worden. Die Firma P L sei über Herrn M als Vermittler zum Kläger gekommen. Der Kläger habe die zwei angebotenen Schwerlastregale mit einer Länge von ca. 5 m tatsächlich erhalten. Es könne daher nicht sein, dass dieses Unternehmen nicht existiere. Den Rechnungen der Firmen P L und B L lägen Leistungen zugrunde, die durch diese Unternehmen erbracht worden seien. Nach der Rechtsprechung des EuGH könne der Vorsteuerabzug nur dann versagt werden, wenn der Rechnungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass er in eine Steuerhinterziehung einbezogen gewesen sei. Das Finanzamt trage insoweit die Feststellungslast.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29.06.2016 (Bl. 10 ff. der Gerichtsakte) wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Eine Umsatzsteuererklärung bzw. eine endgültige Bilanz und Gewinnermittlung für 2010 sei nicht eingereicht worden.

Mit seiner am 28.07.2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, die Lieferanten hätten an den genannten Adressen ihren Firmensitz gehabt. Nach der Rechtsprechung des EuGH stelle die Versagung des Vorsteuerabzugs eine Ausnahme dar. Die Finanzverwaltung sei insoweit darlegungspflichtig und eine Unaufklärbarkeit gehe letztlich zu ihren Lasten. Die Steuerbehörden dürften die ihnen obliegenden Kontrollpflichten nicht auf den Unternehmer übertragen. Insbesondere habe für den Kläger keine Pflicht bestanden, die auf den Rechnungen angegebenen Anschriften oder Bankverbindungen zu überprüfen.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 19.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.06.2016 dahingehend zu ändern, dass die in den Rechnungen der Firmen Schrott- und Metallhandel P L und B L Gerüstbau ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 7.174,40 € als Vorsteuer abgezogen wird;

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