Entscheidungsstichwort (Thema)

Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines betrieblichen Kfz

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs – vorliegend ein VW Multivan – durch den Einzelunternehmer wird durch einen im Privatvermögen vorhandenen PKW, der auch von der Lebensgefährtin genutzt wird, nicht erschüttert.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Streitig ist die Privatnutzung eines betrieblichen Kfz in den Streitjahren 2011 und 2012.

Der Kläger ist ledig. Er betreibt seit dem 1.9.2008 ein Einzelunternehmen, welches er in seiner Gewerbeanmeldung mit „…-montagen und Dienstleistungen” bezeichnete. Seine Tätigkeit besteht in der Erneuerung von … sowie im Austausch, der Wartung und der Überprüfung von …-anlagen.

In einer für die Vorjahre durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Beklagte fest, der Kläger habe ein im Betriebsvermögen befindliches Kfz der Marke Skoda Oktavia auch privat genutzt. Diese Nutzung sei nach der 1 %-Regelung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des EinkommensteuergesetzesEStG – zu versteuern. Im weiteren Verlauf des Besteuerungsverfahrens für die Vorjahre sah der Beklagte dann aber von einer Nutzungsbesteuerung ab, da dem Kläger neben dem betrieblichen Kfz ein privater PKW, ein BMW, zur Verfügung stand.

Der Kläger ermittelte seinen Gewinn aus dem Einzelunternehmen für die Streitjahre nach § 4 Abs. 3 EStG i.H.v. … EUR (2011) und … EUR (2012). Bei den Betriebsausgaben waren Aufwendungen für ein im Betriebsvermögen befindliches Kfz i.H.v. 12.146,55 EUR (2011) und 9.153,98 EUR (2012) sowie Sonder-Absetzungen für Abnutzung – Sonder-AfA – für das Kfz i.H.v. 5.895 EUR (2011) und 0 EUR (2012) angesetzt. Bei den Betriebseinnahmen waren für beide Jahre keine Nutzungsanteile aus einer Privatnutzung des betrieblichen Kfz angegeben. Auf der Grundlage dieser Gewinnermittlung gab der Kläger Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für 2011 am 16.8.2013 und für 2012 am 16.12.2013 ab.

Der Beklagte wich von den Erklärungen ab und setzte mit Bescheiden vom 9.4.2014 die Einkommensteuer für 2011 auf … EUR und für 2012 auf … EUR fest. Die Gewerbesteuermessbeträge setzte er mit Bescheiden vom 28.4.2014 auf … EUR (2011) und … EUR (2012) fest. Hierbei ging er von Einkünften aus Gewerbebetrieb i.H.v. … EUR (2011) und … EUR (2012) aus.

Dies begründete er damit, der Kläger habe im März 2011 einen VW Multivan erworben. Dabei handle es sich um ein Kfz, das typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt werde. Der Anscheinsbeweis werde im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn der Steuerpflichtige lediglich behaupte, Privatfahrten würden nicht durchgeführt oder für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden. In den Jahren 2008 bis Ende 2010 habe dem Kläger neben dem betrieblichen Kfz ein privater PKW zur Verfügung gestanden, ein auf ihn zugelassener BMW. Ab Ende des Jahres 2010 habe jedoch die Lebensgefährtin des Klägers, die Zeugin P. Q., dieses private Kfz ebenfalls genutzt, die zuvor ein eigenes, auf sich zugelassenes Kfz genutzt habe. In den Streitjahren habe dem Kläger also ein privates Fahrzeug nicht zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestanden. Da ein Fahrtenbuch nicht vorgelegt worden sei, finde die 1 %-Regelung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG Anwendung. Entsprechend einem Bruttolistenpreis von 39.300 EUR ergebe sich eine Gewinnerhöhung für zehn Monate des Jahres 2011 von 4.527,36 EUR und für zwölf Monate des Jahres 2012 von 5.432,68 EUR. Im Jahr 2011 sei zusätzlich die Sonder-AfA nach § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG nicht anzuerkennen, da das Kfz nicht (fast) ausschließlich betrieblich genutzt worden sei. Deshalb sei der Gewinn um 5.789 EUR (28.947,40 EUR * 20 %) in 2011 zu erhöhen.

Dagegen legte der Kläger am 14.4.2014 wegen der Einkommensteuer und am 7.5.2014 wegen der Gewerbesteuermessbeträge Einsprüche ein.

Diese begründete er damit, für seine privaten Fahrten stehe ihm ein privates Kfz zur Verfügung, welches auch seine Lebensgefährtin, die Zeugin P. Q., für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutze. Dennoch stehe ihm – dem Kläger – das private Kfz uneingeschränkt privat zur Verfügung, da er morgens bereits zeitlich vor seiner Lebensgefährtin das Haus verlasse und erst nach ihr zurückkehre. Nur an wenigen Tagen im Jahr sei er früher zu Hause gewesen als seine Lebensgefährtin. Darüber hinaus habe er sich für den Fahrzeugtyp des VW Multivan entschieden, weil dieser im Vergleich zu einem geschlossenen Transporter keine Nachteile in Preis und Verwendung aufweise, gegenüber einem Transporter aber die Vorteile einer besseren Veräußerbarkeit nach vierjähriger Nutzung, einer besseren Sitzposition, einer besseren Handhabbarkeit der Ladefläche und einer gelegentlich notwendigen zweiten Sitzreihe biete. Demgegenüber sei der VW Multivan für Privatfahrten nicht geeignet, da etwa für Einkäufe erst die fest installierte Werkzeugkiste ausgebaut werden müsste, was unpraktikabel sei. Aus diesen Gründen s...

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