Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme als Haftungsschuldner aufgrund Täterschaft/Teilnahme an einer Steuerhinterziehung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Durch das Einreichen einer auf unberechtigte Anrechnung von Vorsteuern gerichtete USt-Voranmeldung beim zuständigen FA begeht der Stpfl. eine Steuerhinterziehung auch wenn das FA später eingereichte Abrechnungen als Scheinrechnungen erkannte und den gewährten Vorsteuerabzug rückgängig machte. Die Hinterziehungshandlung i.S.d. § 370 Abs. 1 und Abs. 4 AO war bereits mit Abgabe der unrichtigen Steuererklärungen vollendet.

2. Nimmt ein Stpfl. in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer die ihm obliegende Aufsichtspflicht, die nicht nur die Kontrolle der fristgerechten Erstellung und Einreichung der Steuererklärung beim FA, sondern auch die stichprobenartige Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der vorgelegten, zur Unterschrift und Weiterleitung an das FA bestimmten Steuererklärungen umfasst, nicht wahr, so handelt er vorsätzlich, weil er bedingt in Kauf nimmt, dass ihm inhaltlich falsche Steuererklärungen vorgelegt werden.

 

Normenkette

AO §§ 191, 233 a, 370 Abs. 1, 4, § 71

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.09.2012; Aktenzeichen VII R 3/11)

BFH (Urteil vom 26.09.2012; Aktenzeichen VII R 3/11)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger zu 1 – Herr T – als Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft und der Kläger zu 2 – Herr X – als faktischer Geschäftsführer derselben Kapitalgesellschaft wegen eines von der Gesellschaft unberechtigt geltend gemachten Vorsteuerabzugs zu Recht in Haftung genommen worden sind.

Der Kläger zu 1 trat 1998 an Stelle einer Frau C als Gesellschafter in die 1992 gemeinsam von dem Kläger zu 2 und dessen Ehefrau C X sowie der Frau C gegründeten U GmbH (U GmbH) ein. Durch Vertrag vom 24.06.2002 verkauften der Kläger zu 1 sowie der Kläger zu 2 und die C X. ihre Gesellschaftsanteile an der U GmbH im Nennwert von 26.000 EUR zum Preis von 30.000 EUR an die Firma K AG.

Die U GmbH betrieb Software-Consulting sowie Entwicklung und Verkauf von Archivierungssoftware und war zunächst unter verschiedenen Anschriften in Lage, Kreis N, und ab 01.04.2002 in Q geschäftsansässig. Von Februar 2000 bis Juli 2002 war alleiniger Geschäftsführer der U GmbH der Kläger zu 1, der von einem Herrn K abgelöst wurde. Durch Beschluss vom 11.02.1998 hatten die Gesellschafter der U GmbH den Kläger zu 2 zum Generalbevollmächtigten der U GmbH im Sinne des § 54 Handelsgesetzbuch bestellt, dem laut Gesellschafterbeschluss vom 20.03.2000 – wie schon in der Vergangenheit – die Erfüllung aller kaufmännischen und steuerlichen Angelegenheiten einschließlich Buchhaltung und Erstellung der Steuererklärung oblag. Der Kläger zu 1 fungierte als „technischer Geschäftsführer”.

Geschäftspartner der U GmbH waren u.a. die in C bzw. N ansässigen, von einem Herrn Y geführten Firmen D GmbH, die 1998 in die E AG umgewandelt und ab April 1998 an der Börse im Segment „neuer Markt” gelistet und über deren Vermögen im April 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, bzw. der F GmbH N (F GmbH). Der Geschäftsbetrieb der F GmbH ruhte seit 1998. Die F GmbH reichte seit 1998 keine Steuererklärungen ein.

Nach den Feststellungen einer im Dezember 2002 bei der U GmbH begonnenen Steuerfahndungsprüfung (Zwischenbericht vom 10.01.2003, Tz. 5 – 10) erteilte die D GmbH der U GmbH folgende Rechnungen: Nr. 4200079 vom 17.12.1999 über 1.800 Lizenzen für netto 7.110.000 DM und Vorsteuer von 1.137.600 DM und im Vertrag vom 28.12.1999, in dem die U GmbH Hardware und die Abwicklung von Miet- und Leasingverträgen und ausstehenden Mietforderungen aus den Jahren 1998 und 1999 übernahm. Aus dem Vertrag wurde Vorsteuer von 193.103,45 DM geltend gemacht. Die Rechnung Nr. 4200079 über die Lieferung von 1.800 Lizenzen enthielt das Zahlungsziel „30 Tage netto Kasse”.

Zum Nachweis der tatsächlichen Durchführung der abgerechneten Lieferung schlossen die U GmbH und die D GmbH am 29.03.2000 eine schriftliche „Vereinbarung zur Absicherung von Rechnungen und Leistungen”. Laut Ziffer 1 fakturierte die D GmbH Leistungen aus Mietverträgen/Projektgeschäften/Lizenzen über die U GmbH an die F GmbH. Die Rechnungslegung von der D GmbH an die U GmbH erfolgte nach Absprache zwischen dem Kläger zu 2 bzw. dem Kläger zu 1 sowie dem Y. Die U GmbH berechnete die Leistungen der D GmbH zuzüglich einer Handelsgebühr von 1 % an die F GmbH weiter. Laut Ziffer 2 belief sich das Zahlungsziel für die von U GmbH gestellten Rechnungen, soweit diesen Rechnungen von der D GmbH an die U GmbH geschriebene Rechnungen zugrunde lagen, auf den Zeitpunkt, zu dem das Geld von der F GmbH der U GmbH gutgeschrieben wurde. Entstanden der U GmbH durch nichtgedeckte Schecks der F GmbH Kosten, trug die D GmbH diese Kosten. Laut Ziffer 3 fakturierte die U GmbH die bezogenen Leistungen an die D GmbH zurück, sofern die F GmbH ihren Verpflichtungen nicht nachkam. In diesem Fall erhöhte sich die Handelsgebühr auf 2 %, die die D GmbH trug. Für rückfakturierte Rechnungen galt ein Zahlungsziel ...

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