Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug bei Herstellungskosten eines gemischt genutzten Gebäudes nach dem sog. Umsatzschlüssel; Frage der Eu-Rechtswidrigkeit des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG durch nur subsidiäre Anwendbarkeit des Regelaufteilungsmaßstabes Umsatzschlüssel

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei gemischt genutzten Gebäuden kann der Steuerpflichtige nicht abziehbare Teilbeträge nach sachgerechten Schätzungsmaßstäben sowohl durch Anwendung des sog. Flächenschlüssels als auch des sog. Umsatzschlüssels ermitteln lassen. Gem. § 15 Abs. 4 S. 3 UStG ist eine Ermittlung nach dem Umsatzschlüssel nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Nach Ansicht des Senates findet sich in der RL 77/388/EWG keine Ermächtigungsgrundlage für § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG. Art. 17 Abs. 5 der RL gestattet zwar Modifikationen, erlaubt jedoch nicht, den Regelaufteilungsmaßstab Umsatzschlüssel nur subsidiär zuzulassen.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 4 S. 3; Richtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3; UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.05.2014; Aktenzeichen V R 1/10)

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer(USt)-Festsetzung für 2004, ob die Vorsteuern aus den Herstellungskosten eines gemischtgenutzten Gebäudes nach dem sog. Umsatzschlüssel aufgeteilt werden können.

Die Klägerin (Klin.) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit Sitz in I, deren Gegenstand des Unternehmens die Vermögensverwaltung ist. Sie errichtete 2002 bis 2004 auf dem Grundstück H Platz …, I ein gemischtgenutztes Gebäude, dessen Erdgeschoss – wie geplant – an einen Coffeeshop, Kiosk und Döner-Imbiss ustpflichtig vermietet und dessen Obergeschoss an Mieter von vier altengerechten Wohnungen ustfrei vermietet wurde. Die auf die Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge für 2002 und 2003 teilte sie nach dem sog. Umsatzschlüssel auf. Die Vorsteuerbeträge aus den Herstellungskosten (Baukosten) betrugen im Streitjahr 2004 insgesamt 82.075,79 Euro. Nach dem sog. Flächenschlüssel ergab sich im Streitjahr 2004 ein Verhältnis 52,75 % (Erdgeschoss) zu 47,25 % (Obergeschoss), nach dem sog. Umsatzschlüssel ergab sich ein Verhältnis von 72,8 % (Erdgeschoss) zu 27,2 % (Obergeschoss).

Der Bekl. führte 2005, nachdem die Klin. ihre USt-Voranmeldungen für das I. bis IV. Kalendervierteljahr 2004 bei ihm eingereicht hatte, eine USt-Sonderprüfung bei der Klin. durch. In dem Bericht über die USt-Sonderprüfung vom 15.08.2005 führte der Prüfer aus: Es sei eine Zuordnung der Baukosten nach folgenden Kriterien vorgenommen worden: a) direkte Ermittlung der Baukosten Erdgeschoss, b) direkte Ermittlung der Baukosten Obergeschoss, c) aufzuteilende Baukosten. Die abzugsfähigen Vorsteuerbeträge für 2004 würden sich wie folgt ermitteln:

2004

abziehbar

Vorsteuer insgesamt

82.075,79 EUR

a)

direkte Zuordnung

Erdgeschoss

-29.212,00 EUR

29.212,00 EUR

Obergeschoss

-13.607,00 EUR

0,00 EUR

= verbleiben

39.256,79 EUR

b)

Aufteilung § 15 IV

nach Flächenschlüssel

× 52,8 %

20.727,00 EUR

abziehbare Vorsteuer

49.939,00 EUR

Eine Kürzung der Vorsteuerbeträge um die auf die altengerechten Wohnungen entfallenden Vorsteuerbeträge sei von der Klin. bisher nicht vorgenommen worden. Die Kürzung der geltend gemachten Vorsteuerbeträge betrage 32.136,79 Euro (82.075,79 Euro – 49.939,00 Euro). Der Bekl. erließ nach Maßgabe der Prüfungsfeststellungen unter dem 14.09.2005 einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten USt-Vorauszahlungsbescheid für das IV. Kalendervierteljahr 2004, in dem er die auf das I. bis IV. Kalendervierteljahr 2004 entfallenden Änderungen zusammengefasst berücksichtigte. Die Klin. legte gegen diesen Bescheid am 27.09.2005 Einspruch ein, den der Bekl. mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 17.11.2005 als unbegründet zurückwies.

Die Klin. hat am 13.12.2005 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor: Der Bau und die Finanzierung des Gebäudes seien im Wesentlichen auch vor dem Hintergrund der möglichen ustpflichtigen Vermietung und des hieraus resultierenden Vorsteuerabzugs erfolgt. Zumindest sei kalkuliert worden, dass die Miete aus dem Erdgeschoss, das nur gewerblich nutzbar sei, zu einem entsprechend höheren Vorsteuerabzug führen würde. Insoweit seien ihre Dispositionen im Hinblick auf den Vorsteuerabzug durch den Bau betroffen. Die durch § 15 Abs. 4 S. 3 UStG erfolgte Gesetzesänderung greife in ihre bereits getroffenen Dispositionen ein, die verfassungsrechtlich geschützt seien. Es liege eine echte Rückwirkung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor. Es sei daher eine verfassungskonforme Auslegung der durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) vom 15.12.2003 geänderten Norm derart vorzunehmen, dass die Rechtslage zu Baubeginn als Grundlage für den Schätzungsmaßstab während der gesamten Bauphase gelte. Entgegen der Auffassung des Bekl. könne sich aus dem Nichtanwendungserlass vom 19.11.2002 IV B 7-S 7306-25/02, BStBl I 2002, 1368 auch keine Vorhersehbarkeit der Gesetzesänderung ergeben. Denn Gesetze wü...

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