Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Insolvenzanfechtung bei Entstehen des Körperschaftsteuerauszahlungsanspruchs kraft Gesetzes in der „kritischen” Zeit vor Insolvenzeröffnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das FA ist berechtigt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Januar 2007 die zur Insolvenztabelle angemeldete und anerkannte Umsatzsteuerforderung mit dem zum 31.12.2006 aufgrund der Änderung des § 37 KStG durch das SEStEG vom 7.12.2006 entstandenen Körperschaftsteuerguthaben aufzurechnen.

2. Die Möglichkeit zur Aufrechnung wird nicht i. S. d. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO durch eine anfechtbare Rechtshandlung vom FA erlangt, wenn in der kritischen Zeit vor Verfahrenseröffnung die zur Aufrechnung berechtigende Rechtsposition kraft einer gesetzlichen Regelung entsteht. Die Wirkung einer gesetzlichen Neuregelung ist keine anfechtbare Rechtshandlung.

 

Normenkette

KStG § 37 Abs. 5 Fassung: 2006-12-07; InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3, §§ 129, 94; AO §§ 226, 251

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 23.09.2015; Aktenzeichen VII B 163/14)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der im Jahr 1995 gegründeten F-GmbH (nachfolgend GmbH).

Mit Feststellungsbescheiden zum 31.12.2001 und zum 31.12.2006 stellte das beklagte Finanzamt (FA) ein Körperschaftsteuerguthaben nach § 37 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in Höhe von jeweils DM bzw. EUR fest. Dabei errechnete das FA das Körperschaftsteuerguthaben zum 31.12.2001 aus dem festgestellten Endbestand des sogenannten „Eigenkapital 40” (im Folgenden: EK 40) in Höhe von DM. Das EK 40 wiederum hatte das FA durch Kürzung des zum Ende des vorhergehenden Wirtschaftsjahrs vorhandenen EK 45 und des EK 40 um eine Gewinnausschüttung in Höhe von DM errechnet.

Am 25. August 2006, eingegangen beim Insolvenzgericht am 28. August 2006, wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beantragt und mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 18. Oktober 2006 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und öffentlich bekannt gemacht.

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 16. Januar 2007 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestimmt.

Das FA meldete mit Schreiben vom 1. Februar 2007 Abgabenforderungen in Höhe von EUR zur Insolvenztabelle an. Darin enthalten war auch ein Forderung Umsatzsteuer 2001 in Höhe von EUR, fällig am 18. Februar 2002. Die vom FA angemeldeten Forderungen wurden zur Insolvenztabelle in voller Höhe festgestellt.

Mit Schreiben forderte die Insolvenzverwalterin, das Körperschaftsteuerguthaben zugunsten der Insolvenzmasse auszubezahlen. Nach Ablauf des Moratoriums seien folgende Beträge zur Auszahlung fällig: für die Jahre 2007 bis 2011 jeweils EUR, insgesamt somit EUR.

Dem kam das FA nicht nach und erklärte die Aufrechnung hinsichtlich des Körperschaftsteuerguthabens und der Umsatzsteuer 2001 in Höhe von EUR.

Am erließ das FA einen Abrechnungsbescheid, mit dem es

  • die Aufrechnung des Körperschaftsteuerguthabens für die Jahre 2012 bis 2017 von insgesamt EUR auf die Umsatzsteuer nebst der entsprechenden Umbuchung bestätigte
  • und auch für die Jahre 2008, 2009, 2010 und 2011 die Körperschaftsteuerguthaben von jeweils EUR mit der Nachzahlung zur Umsatzsteuer 2001 verrechnete.

Gegen diesen Abrechnungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Wie bereits mit dem Antrag auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens machte die Klägerin geltend, eine Aufrechnung sei nicht zulässig.

Mit Einspruchsentscheidung wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage wird im Wesentlichen geltend gemacht, die Aufrechnung durch den Beklagten sei bereits nach § 94 Insolvenzordnung (InsO) unzulässig. Voraussetzung für eine wirksame Aufrechnung sei, dass die Gegenforderung (Insolvenzforderung) voll wirksam und zur Zahlung fällig sei. Die Hauptforderung (Forderung der Insolvenzmasse auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens) müsse hingegen nur erfüllbar sein. Im Streitfall sei die Gegenforderung bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung offensichtlich nicht zur Zahlung fällig gewesen. Wie aus der Forderungsaufstellung des FA zu entnehmen sei, handelte es sich bei den angemeldeten Forderungen überwiegend um Abgabenforderungen älteren Datums. Die jüngsten Abgabenforderungen resultieren aus dem Jahr 2002 und dürften damit grundsätzlich nach Ablauf des Jahres 2002 fällig geworden sein. Nach Kenntnis der Klägerin seien bis zum Insolvenzantrag im Jahr 2006 keinerlei Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt, obwohl keinerlei Zahlungen geleistet worden seien. Zudem habe die Schuldnerin gegen eine Vielzahl von Bescheiden Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt. Soweit jedoch eine Forderung des FA, die grundsätzlich sofort vollstreckbar sei, nicht bezahlt werde, sei anzunehmen, dass üblicherweise auch unverzüglich Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet würden. Der Beklagte habe jedoch als zustän...

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