Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine doppelte Haushaltsführung bei Zusammenleben Berufstätiger mit ihren Kindern am Beschäftigungsort

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn am Beschäftigungsort zugleich der Lebensmittelpunkt liegt.

2. Eine doppelte Haushaltsführung wird beendet, wenn keine Aufsplitterung in zwei Haushalte mehr gegeben ist, weil der Familienhaushalt (der „Hausstand” i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG) an den Beschäftigungsort oder in dessen Einzugsbereich verlegt wird und der Arbeit-/Unternehmer seinen am Beschäftigungsort bisher unterhaltenen Zweithaushalt aufgibt. Dies ist i. d. R. der Fall, wenn die Ehefrau – ggf. mit Kindern – zu dem auswärts beschäftigten Ehemann zieht, auch wenn der Arbeit-/Unternehmer die frühere Familienwohnung beibehält, in der sich die Ehefrau zeitweilig aufzuhalten pflegt.

3. Art. 6 Abs. 1 GG kann für beiderseits berufstätige Ehegatten nur dann Schutzcharakter entfalten, wenn Aufwand zur Disposition steht, der sich als zwangsläufig erweist, um Ehe und Beruf unter den Bedingungen hoher Mobilität zu vereinbaren.

4. Der Lebensmittelpunkt einer Familie ist dort zu verorten, wo sie sich überwiegend gemeinsam aufhält, ohne dass es maßgeblich auf weitere Kontakte zu Verwandten oder Freunden zur Bestimmung eines Lebensmittelpunkts ankommen könnte.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, § 4 Abs. 4, 5 S. 1 Nr. 6; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.10.2019; Aktenzeichen VIII R 29/16)

BFH (Urteil vom 01.10.2019; Aktenzeichen VIII R 29/16)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger in den Streitjahren 2008 und 2009 Aufwand für eine doppelte Haushaltsführung und damit zusammenhängende Aufwendungen für Fahrten von M-Stadt nach C, dem betrieblichen Bereich zuzuordnen sind und sich auf die Einkünfte des Klägers aus dem selbständigen Betrieb einer chirurgischen Arztpraxis steuermindernd auswirken.

Der Kläger war beruflich zunächst als Unfallchirurg im Krankenhaus in R in Thüringen tätig. Da, nach seinen Angaben, im Jahr 2003 die dortige chirurgische Abteilung aufgelöst wurde, musste er sich beruflich neu orientieren. Der Kläger hat zum 1. Mai 2003 eine Praxis für Chirurgie und Unfallchirurgie in M-Stadt gekauft. Die Angebote, die der Kläger aus Thüringen erhalten hatte, wo er lieber geblieben wäre, schienen ihm wirtschaftlich nicht vertretbar. Für den Fachbereich Chirurgie habe es in Thüringen eine Niederlassungssperre gegeben. Verkäufer von entsprechenden Praxen hätten deshalb, aus seiner Sicht, überhöhte Vorstellungen über den zu zahlenden Praxiswert gehabt, den er nicht zu zahlen bereit gewesen sei. Das Angebot in M-Stadt, welches er letztlich angenommen habe, sei gut gewesen wegen einer mit der Praxis verbundenen Zulassung für Arbeitsunfälle, wobei die unmittelbare Nähe zu einem metallverarbeitenden Unternehmen mit gefahrgeneigter Arbeit, den Standort als geeignet empfahl.

Die Ehefrau des Klägers war bis 31. Juli 2003 in der Klinik W in Thüringen als Arztsekretärin und MTA im Bereich Funktionsdiagnostik tätig. Da sich in der Praxis des Klägers in M-Stadt Bedarf ergab und der Verbleib ihrer Anstellung in Thüringen unsicher war, wechselte sie in die Praxis des Klägers. Seit 1. August 2003 arbeitete sie als Angestellte in der Praxis des Klägers in M-Stadt mit. Mit der Ehefrau wechselten dann auch die beiden Kinder (Tochter, geb. 1991 und Sohn, geb. 1994) nach München, um dort die Schule ab Schuljahresanfang 2003 zu besuchen.

Da sowohl der Kläger als auch seine Frau ganztags beruflich tätig waren, besuchten die Kinder Ganztagesschulen. Die Tochter hatte auch ein auswärtiges Internat besucht, wechselte dann aber auf das F-Gymnasium in M-Stadt, welches sie auch in den Streitjahren besuchte. Der Sohn besuchte ebenfalls das F-Gymnasium.

Der Kläger hatte 2003 zunächst eine 2-Zimmer Wohnung gemietet, um zwischen M-Stadt und C, wie es ursprünglich geplant war, zu pendeln.

Die Umstrukturierungserfordernisse in der Praxis in M-Stadt und die Unsicherheit des Fortbestehens des Arbeitsplatzes der Ehefrau in Thüringen hätten dazu geführt, dass der Kläger für sich und seine Familie ab 1. Oktober 2003 eine 4-Zimmer Wohnung mit Balkon nebst separatem Büro in K angemietet hatte. Die Wohnung umfasste nach Mietvertrag eine Fläche von 130 m² und verteilte sich auf einen großen Raum mit Wohnzimmer, Esszimmer und Küche, des Weiteren ein Schlafzimmer, 2 Kinderzimmer sowie Bad und Waschküche im 2. OG zugleich DG des Mietobjekts. Wegen des Zuschnitts der Wohnung in München wird auf den vorgelegten Grundriss verwiesen. Ein Büro, im Mietvertrag als „Wohnraum mit Galerie, als Büro nutzbar” bezeichnet, verfügte laut Mietvertrag über 30 m² und stand dem Kläger ebenfalls seit 1. Oktober 2003 zusammen mit einer Doppelgarage zur Verfügung.

Des Weiteren verfügte der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau über ein Einfamilienhaus...

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