Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kindergeld oder Kinderfreibetrag für Zivildienst leistende volljährige Kinder

 

Leitsatz (redaktionell)

Es ist nicht verfassungswidrig, dass Kinder, die statt des Grundwehrdienstes Zivildienst leisten, vom Gesetzgeber nicht in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG berücksichtigt worden sind und die Eltern deswegen keinen Kinderfreibetrag und kein Kindergeld erhalten.

 

Normenkette

EStG 2001 § 32 Abs. 4 S. 1 Nrn. 1-3; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12a; ZDG

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 29.03.2004; Aktenzeichen 2 BvR 1670/01, 2 BvR 1340/03)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Der Kläger erhielt Kindergeld für seinen Sohn A (*xx. März 1982). Dieser wurde ab 1. August 2001 zum Zivildienst einberufen. Die beklagte Familienkasse hob am 28. August 2001 die Kindergeldfestsetzung rückwirkend zum 1. August 2001 auf und forderte das Kindergeld für August 2001 (270 DM) zurück. Dazu führte sie aus, der Zivildienst erfülle keine der in § 32 Abs. 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Bedingungen, insbesondere sei er nicht als Berufsausbildung anzuerkennen; das ohne rechtlichen Grund gezahlte Kindergeld sei gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung 1977 (AO) zu erstatten.

Zur Begründung der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage führt der Kläger aus, die gesetzliche Bestimmung, auf welcher der angefochtene Bescheid beruhe, sei verfassungswidrig. Zwar hätten bisher verschiedene Finanzgerichte die Regelung unbeanstandet angewendet. Insbesondere habe der Bundesfinanzhof (BFH) im Beschluss vom 4. Juli 2001 (BStBl II 2001, 675) die Übereinstimmung des Gesetzes mit der Verfassung im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Art. 1, 20 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) für nicht klärungsbedürftig gehalten. Im Streitfall liege aber ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 a GG vor: Nach dem BFH-Beschluss (Nr. 2 Abs. 2) werde Kindergeld für Kinder weitergewährt, die ein freiwilliges soziales Jahr leisteten und währenddessen unter anderem Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung und ein angemessenes Taschengeld erhielten (§ 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres –FSJG–). Der Unterschied zum Zivildienst bestehe nur darin, dass die Zivildienstleistenden eine etwas höhere Geldleistung bekämen. Jedenfalls seien die Eltern eines Helfers im freiwilligen sozialen Jahr ebenso von ihrer Unterhaltslast befreit wie die eines Zivildienstleistenden. Die Unterschiede seien deshalb nicht so gravierend, dass sie im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Gewährung von Kindergeld rechtfertigten. Auch Kinder in Berufsausbildung seien berücksichtigungsfähig. Die Familienkasse schließe zu Unrecht aus dem bloßen äußeren Unterschied zwischen Berufsausbildung und Zivildienst auf ungleiche Sachverhalte. Entscheidend sei, dass ein Kind in Berufsausbildung oft eine wesentlich höhere Vergütung erhalte (und vielleicht noch sonstige Einkünfte, z.B. aus Grundstücks- oder Kapitalvermögen), welche die Vergütung – einschließlich der daneben bezogenen Leistungen – eines Zivildienstleistenden wesentlich übersteige. Da durch Unterhaltsleistungen an Kinder über 18 Jahren die Leistungsfähigkeit der Eltern vermindert sei (worauf es dem Gesetzgeber bei der Neuregelung angekommen sei; BFH, a.a.O., Nr. 2 Abs. 4) komme es im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht nur auf die äußeren Unterschiede wie Zivildienst einerseits oder Berufsausbildung andererseits, sondern bei sachgerechter Beurteilung (BFH, a.a.O., Nr. 2 Abs. 4) darauf an, inwieweit die Leistungsfähigkeit der Eltern vermindert sei. Das sei bei der Berufsausbildung auch unter Berücksichtigung der steuerlichen Umstände in einem wesentlich geringeren Ausmaß der Fall als beim Zivildienst: Ein relativ hohes Einkommen (innerhalb der gesetzlichen Grenzen) eines Kindes wirke sich auf das Kindergeld nicht negativ aus; die unter Umständen erheblich niedrigere Entschädigung aus dem Zivildienst führe aber zum Wegfall des Kindergeldes. Der Gesetzgeber dürfe zwar im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG typisierende Maßstäbe wählen, aber nicht – wie hier – willkürlich vorgehen. Wenn es beim Kindergeld schon auf die Leistungsfähigkeit der Eltern wegen des Unterhalts für das Kind ankomme (BFH, a.a.O., Nr. 2 Abs. 5) könne nicht in einem Fall die Höhe des Einkommens des Kindes (bei der Berufsausbildung), im anderen Fall aber der bloße Tatbestand der Ableistung des Zivildienstes ohne Rücksicht auf die Höhe des eigenen Einkommens maßgebend sein. Darüber hinaus werde beim Zivildienstleistenden berücksichtigt, dass er unentgeltliche Unterkunft habe, sofern er nicht zu Hause wohne (BFH, a.a.O., Nr. 2 Abs. 5). Bei dem in Berufsausbildung stehenden Jugendlichen dagegen spiele das keine Rolle. Es komme nur auf sein Einkommen an. Bis zu einem gewissen Grad habe diesen Umstand auch das bis 1995 geltende Gesetz berücksichtigt (BFH, a.a.O., Nr. 2 Abs. 2...

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