rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortdauer der Kindergeldberechtigung aufgrund Beibehaltung des Inlandswohnsitzes bei Auslandsstudium des Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Kind behält während eines auf fünf Jahre ausgelegten Auslandsstudiums seinen Wohnsitz im Inland jedenfalls dann bei, wenn ihm im Haushalt der Eltern zum dauerhaften Wohnen geeignete Räumlichkeiten jederzeit zur Verfügung stehen, wenn es sich dort während der ihm nach dem Ausbildungsplan freien Zeiten aufhält und wenn auch die sonstigen Umstände (insbesondere Wohnverhältnisse und soziale Bindungen im In- und Ausland) nicht für eine Wohnsitzverlegung an den Ort des Auslandsstudiums sprechen.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3; AO § 8

 

Tenor

1. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 23.03.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2007 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Kind der Klägerin die Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen für einen Kindergeldanspruch erfüllt.

I.

Die Klägerin (Klin) ist die Mutter der am …01.1984 geborenen A. A erlangte 2005 an der Staatlichen Fachoberschule A das Fachabitur und besuchte anschließend die 13. Klasse zur Ablegung des Allgemeinen Abiturs. Diese Klasse beendete sie jedoch vorzeitig am 28.04.2006. Am 01.09.2006 begann sie ein Studium an der Staatlichen linguistischen Universität P, Russland, als Übersetzer. Voraussichtliches Studienende ist laut Bestätigung der Universität der 30.06.2011. Auf Nachfrage der Beklagten (die Familienkasse – FK –) gab die Klin an, dass sich A seit 31.08.2006 bis voraussichtlich 31.07.2011 in Russland aufhalten werde, dort in einem Studentenheim lebe und nach Ende der Berufsausbildung zur Berufsausübung nach Deutschland zurückkehren wolle.

Die FK hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 23.03.2007 ab Mai 2006 auf und forderte das bereits ausgezahlte Kindergeld für die Monate Mai 2006 bis November 2006 in Höhe von 1.078 EUR von der Klin zurück. Zur Begründung wurde angegeben, dass A die Schulausbildung abgebrochen und keinen Wohnsitz mehr in Deutschland habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 26.07.2007 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Die Klin sei weiterhin kindergeldberechtigt, da sich A in Ausbildung befinde und weiterhin ihren Wohnsitz in der Wohnung der Klin in Deutschland habe. A habe mit Ausnahme einer Unterbrechung vom August 2005 bis Februar 2006 (gemeinsame Wohnung mit Freund) im Haushalt der Klin gelebt. Das Fachabitur sei für die Aufnahme an der Universität P ausreichend gewesen. A habe daher die 13. Klasse abgebrochen, um sich auf die Aufnahmeprüfung für die Universität P vorzubereiten. A habe im Einfamilienhaus der Klin ein eigenes Zimmer, in dem sich ihre Einrichtung, ihr Hausrat, ihre Kleidung, ihre Ausbildungsunterlagen und ihre sonstigen persönlichen Gegenstände befänden. Sie halte sich dort nicht nur zu Besuch auf. Sie verbringe die gesamte ausbildungsfreie Zeit im Haushalt der Klin. Das Studentenwohnheim erlaube einen Aufenthalt im Wohnheim nur während der Vorlesungszeiten. Außerhalb dieser Zeiten müssten die Studierenden das Wohnheim verlassen und die Schlüssel abgeben.

Die Klin beantragt,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 23.03.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2007 aufzuheben.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie darauf, dass ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in dem in § 63 Abs. 1 S. 3 EStG bezeichneten Gebiet nicht vorliege.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze … Bezug genommen.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27.11.2008 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 27.11.2008 Beweis durch Zeugenvernehmung von A erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Klage ist begründet.

Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) hat derjenige, der im Inland über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt, einen Kindergeldanspruch nur für diejenigen Kinder, die ebenfalls im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innehaben. Russland zählt nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staat...

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