Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Gestaltungsmissbrauch zur Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 45 EStG bei Verkauf eines Handys des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber zu einem Kaufpreis von 1 EUR, anschließender Nutzungsüberlassung des Handys an den Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung und Übernahme der entstehenden Kosten für den privaten Mobilfunkvertrag sowie Wartung und Reparaturen durch den Arbeitgeber

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zu den Telekommunikationsgeräten im Sinne des § 3 Nr. 45 EStG gehören unter anderem Handys und Smartphones. Ein Telekommunikationsgerät ist jedenfalls dann „betrieblich” im Sinne der Vorschrift, wenn das dem Arbeitnehmer überlassene Gerät dem Arbeitgeber als eigenständiges Wirtschaftsgut im Sinne des § 39 AO zuzurechnen ist – aber auch geleaste oder gemietete Geräte können betriebliche Wirtschaftsgüter sein.

2. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 45 EStG betrifft Sachzuwendungen, die nach § 8 Abs. 2 EStG als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu bewerten wären. § 3 Nr. 45 EStG erspart diese Bewertung, vor allem aber die Ermittlung durch den Arbeitgeber, in welchem Umfang das betriebliche Gerät vom Arbeitnehmer privat genutzt wird und damit Sachzuwendungen begründet.

3. Entgegen H 3.45 LStH ist nicht von von einem rechtlichen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO zur Inanspuchnahme der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 45 EStG auszugehen, wenn der Arbeitnehmer sein Handy im Rahmen eines zivilrechtlich wirksamen, kein Scheingeschäft darstellenden Kaufvertrags zwischen fremden Dritten an seinen Arbeitgeber zu einem Kaufpreis von 1 EUR verkauft, der Arbeitgeber anschließend im Rahmen eines Nutzungsüberlassungsvertrags das Handy dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung wieder zur Verfügung stellt und die entstehenden Kosten für den vom Arbeitnehmer abgeschlossenen privaten Mobilfunkvertrag in einer vertraglich festgelegten Höhe sowie die Kosten für Wartung und Reparaturen des Handys übernimmt; das gilt auch dann, wenn alleiniges Ziel dieser Gestaltung die Inanspruchnahme der gesetzlich zulässigen Steuerbefreiung des § 3 Nr. 45 EStG gewesen sein sollte.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 45 S. 1; AO §§ 5, 39 Abs. 1, § 42 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Sätze 1-2, § 191 Abs. 1 S. 1; FGO § 102 S. 1; LStH H 3.45

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.11.2022; Aktenzeichen VI R 51/20)

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit von Oktober 2013 bis Juni 2017 vom 20. August 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. Oktober 2019 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Strittig ist, ob die Klägerin die Übernahme von Telefonkosten für einen Mobilfunkvertrag ihres Arbeitnehmers zu Recht nicht der Lohnsteuer unterworfen hat und dafür in Haftung genommen werden kann.

Die Klägerin, ein […] in der Rechtsform einer GmbH & Co KG, beabsichtigte, ab dem 1. Juni 2015 ihr Entlohnungssystem für ihren Mitarbeiter L zu optimieren. Im Rahmen der Vorschriften der §§ 3, 8 und 40 Einkommensteuergesetz (EStG) war vorgesehen, ihrem Mitarbeiter Sachzuwendungen und Aufwandsentschädigungen zu gewähren. Unter anderem wollte die Klägerin ihrem Arbeitnehmer ein Mobiltelefon auch zur privaten Nutzung überlassen. Das Mobiltelefon sollte dabei im Eigentum der Klägerin verbleiben. Der von der Klägerin geleistete Kostenersatz für die mit diesem Telefon geführten Gespräche sollte nach § 3 Nr. 45 EStG nicht der Lohn- bzw. Einkommensteuer unterliegen. Hierzu schloss die Klägerin mit L am 9. April / 11. Mai 2015 einen Kaufvertrag zum Erwerb des ursprünglich dem Arbeitnehmer gehörenden Handys Sony Ericsson K800i. Der Kaufpreis betrug 1 EUR in bar. Das durch die Klägerin erworbene Gerät wurde dem Arbeitnehmer unmittelbar wieder zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Mit zeitgleich mit dem Handy-Kaufvertrag abgeschlossener „ergänzender Vereinbarungen zum Arbeitsvertrag Handykosten” kamen die Vertragsparteien überein, dass die Klägerin dem Arbeitnehmer ein Mobilfunk-Telefon zur Verfügung stellt und die für das Mobiltelefon entstehenden Kosten des Mobilfunkvertrages (Grundgebühr, Verbindungsentgelte oder auch Flatrategebühr) bis zur Höhe von 10,57 EUR übernimmt. Der Arbeitnehmer hatte die Kosten des Mobilfunkvertrages, den er mit einem Mobilfunkanbieter abgeschlossen hatte, nachzuweisen. Diese ergänzende Vereinbarung sollte bis zu einer Änderung oder Ergänzung der Vereinbarung gelten. Mit weiteren Vertrag vom 12. Dezember 2016 wurde der monatliche Höchstbetrag auf 11,72 EUR angehoben. Zur Nutzungsüberlassung der Mobiltelefone wurde am 8. November 2016 als weitere Anl...

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