Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum wirtschaftlichen Eigentum bei einem zur alleinigen Nutzung für die Restnutzungsdauer (18 Jahre) überlassenen Einfamilienhaus. Einkommensteuer 1993, 1994, 1995, 1996

 

Leitsatz (amtlich)

Wird Eheleuten im Rahmen ihrer Beteiligung an einer GbR das alleinige Nutzungsrecht an einem 32 Jahre alten Einfamilienhaus für dessen Restnutzungsdauer von 18 Jahren eingeräumt, sind sie als wirtschaftlicher Eigentümer des ganzen Gebäudes anzusehen, so dass der Anteil am Kaufpreis, der auf das Nutzungsrecht an dem Einfamilienhaus entfällt, nach § 10e EStG begünstigungsfähig ist (Ausführungen zur gewöhnlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes; Aufwandsverteilungs- und Wertverzehrthese; wirtschaftliches Eigentum an einzelnen Gegenständen eines Gesamthandseigentums; Vererblichkeit des Nutzungsrechts).

 

Normenkette

EStG § 10e; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nrn. 1-2; EStG § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 5 Nr. 2; EStR 1993 R 44 Abs. 3; BGB §§ 719, 134; AO 1977 § 41 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 569b, 581 Abs. 2, § 727

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.09.2003; Aktenzeichen X R 54/01)

BFH (Urteil vom 18.09.2003; Aktenzeichen X R 54/01)

 

Tenor

1. Die Einkommensteuerbescheide 1993 vom 14. Mai 1996, 1994 vom 11. Juli 1996, 1995 vom 3. Juli 1997 und 1996 vom 4. März 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. August 1998 werden dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer 1993 auf 3.602 DM, 1994 auf 2.840 DM, 1995 auf 20.880 DM und 1996 auf 0 DM herabgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte,

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die 1924 und 1927 geborenen Kläger sind Eheleute, die für die Streitjahre 1993 – 1996 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt wurden.

Mit „Kaufvertrag” vom 30. Dezember 1993 (Bl. 17 FG-Akte) erwarben sie einen 7 %igen gemeinsamen Anteil an der … – (G) und … (H) GbR in der Weise, dass G von seinem 50 %igen Anteil 7 % auf die Kläger übertrug.

Die GbR wurde gem. Abschnitt 2 des Vertrags vom 27. Dezember 1993 zwischen G und H gegründet (Bl. 18 ff. FG-Akte). Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sollten mit der Maßgabe gelten, dass G allein zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt ist. Gegenstand der GbR war ein den Gesellschaftern G und H je zur Hälfte gehörendes, mit einem 1961 fertiggestellten Einfamilienhaus (EFH) bebautes Grundstück in … (S), das von ihnen bisher nicht genutzt worden war.

Verbunden mit dem 7 %igen Anteil am Grund und Boden ist lt. Kaufvertrag das alleinige wirtschaftliche Eigentum an den Baulichkeiten auf dem Grundstück mit allen Nutzen und Lasten. Bei Vertragsabschluss sind die Parteien von einer Vererblichkeit des Grundstücksanteils und des wirtschaftlichen Eigentums ausgegangen.

Zwischen den Gesellschaftern wurde vereinbart (Gesellschafterbeschluss), dass das EFH nach 18 Jahren, d.h. Ende des Jahres 2011, abgebrochen und das Grundstück dann von den Gesellschaftern neu bebaut werden soll. Weder der Gesellschaftsvertrag vom 27. Dezember 1993 noch der Kaufvertrag enthält eine vom gesetzlichen Einstimmigkeitsgrundsatz bei Gesellschafterbeschlüssen abweichende Regelung.

Der Gesamtkaufpreis für den Gesellschaftsanteil einschließlich des wirtschaftlichen Eigentums am ganzen Gebäude betrug lt. Kaufvertrag 400.000 DM.

Die Kläger beantragten in den ESt-Erklärungen 1993 – 1996 den Abzug von Steuerbegünstigungen der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus i.H.v. jeweils 6 % von 330.000 DM = 19.800 DM. Der Beklagte (das Finanzamt – FA–) hat in den ESt-Bescheiden 1993–1996 in Gestalt der verbösernden Einspruchsentscheidung (EE) vom 10. August 1998 (Bl. 57 – 68 Rb-Akte) lediglich 475 DM als Förderbetrag nach § 10 e des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung (hierzu Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., S. 930) anerkannt. Dabei ging es von einer Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag von 113.000 DM aus (s. die EE S. 4 f.).

Mit ihrer Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend: Entgegen der vom FA geäußerten Rechtsansicht stehe ihnen der Abzugsbetrag in voller Höhe zu. Sie hätten durch den Kaufvertrag wirtschaftliches Eigentum erlangt. Es sei nämlich bei Vertragsabschluss davon ausgegangen worden, dass das Gebäude entsprechend der AfA-Regelung in § 7 Abs. 4 Nr. 2 EStG eine gewöhnliche Nutzungsdauer von 50 Jahren habe. Dieser Zeitraum sei 2011 (Zeitpunkt des vorgesehenen Abbruchs des Gebäudes) abgelaufen. Damit sei ihnen die volle Nutzung der Gebäudesubstanz eingeräumt worden. Aus dem Inhalt und der wirtschaftlichen Zielsetzung des Kaufvertrags gehe auch hervor, dass sowohl das Nutzungsrecht als auch der Gesellschafteranteil vererblich seien. Entgegen der Berechnung des FA entfielen auf das wirtschaftliche Eigentum am Gebäude 34...

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