rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Option zur Umsatzsteuerpflicht bei Vermietung an Pauschallandwirt. Gestaltungsmissbrauch durch allein auf Vorsteuerabzug abzielende Vermietung eines landwirtschaftlichen Gebäudes zwischen Ehegatten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Nutzungsüberlassung eines Grundstücks an einen Landwirt, der seine Umsätze nach den Durchschnittssätzen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe versteuert und demnach nur einen „pauschalen Vorsteuerabzug” nach § 24 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG geltend machen kann, ist die Option zur Steuerpflicht nach § 9 Abs. 2 UStG ausgeschlossen (gegen FG Niedersachsen, Beschluss v. 23.11.2005, Ko 14/00, EFG 2001, 307; FG Baden-Württemberg, Urteil v. 26.1.2005, 12 K 493/00, EFG 2005, 761; Abschn. 9.2 Abs. 2 UStAE).

2. Mietet die Ehefrau eines Landwirts, der seine Umsätze nach § 24 UStG versteuert und deswegen vom regulären Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, von diesem einen Teil der im Alleineigentum des Landwirts stehenden Hoffläche, um darauf ein auf die Bedürfnisse des Landwirts zugeschnittenes landwirtschaftliches Nebengebäude zu errichten und an den Landwirt zurückzuvermieten, kann die Ehefrau das bebaute Grundstück, das sich auf dem Hof ihres Ehemanns befindet, weder für eigene gewerbliche Zwecke nutzen noch – mangels Geh- und Fahrtrechten an dem umgebenden Grundstück – beispielsweise an einen Dritten ohne Einwilligung ihres Ehemanns zur Nutzung überlassen, und soll durch eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung allein der volle Vorsteuerabzug aus den Baukosten erreicht werden, der für den Landwirt als Bauherren nach § 24 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG nicht möglich wäre, so ist diese Nutzungsüberlassung zwischen den Ehegatten als gemäß § 42 AO missbräuchliche Gestaltung umsatzsteuerrechtlich nicht anzuerkennen.

3. Unionsrechtlich sind nach dem Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen, die allein zu dem Zweck erfolgen, einen Steuervorteil zu erlangen, verboten.

4. § 9 Abs. 2 UStG ist mit dem Unionsrecht vereinbar.

 

Normenkette

UStG § 24 Abs. 1 Sätze 3-4, § 9 Abs. 1-2, § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO § 42; MwStSystRL Art. 302, 137 Abs. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Klägerin die ihr für die Errichtung eines landwirtschaftlichen Gebäudes in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen kann.

Die Klägerin ist praktische Ärztin. Ihr Ehemann ist ein Landwirt, für den im Streitjahr die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) galt.

Am 1. Juli 2006 schlossen die Klägerin und ihr Ehemann einen Mietvertrag über eine Teilfläche des Grundstücks des Ehemanns zur Bebauung mit einem Gebäude durch die Klägerin. Vereinbart wurde ein jährlicher Mietzins von 400 EUR mit einer Laufzeit bis zum 1. Januar 2017. Der Mietzins war erstmals zum 1. Juni 2007 zu zahlen. In § 4 des Mietvertrags wurde bestimmt, dass nach Ablauf der Mietdauer der Ehemann der Klägerin eine Entschädigung zu zahlen hat, die sich nach dem Verkehrswert des von der Klägerin errichteten landwirtschaftlichen Nebengebäudes bemisst.

Der Bauantrag sowie der Eingabeplan für das Bauprojekt „…” wurden 2004 im Namen des Ehemanns eingereicht.

Im Mai 2006 wurde mit dem Bau begonnen (vgl. Baubeginnsanzeige vom 20. Mai 2006 durch den Ehemann). Am 4. Juni 2006 bat der Ehemann das Bauamt, die Baugenehmigung auf den Namen der Klägerin umzuschreiben. Drei Baurechnungen (für Einmessung, Bauhilfe und Fliesen) über insgesamt 3.523,80 EUR wurden durch den Ehemann bezahlt, der Rest durch die Klägerin. Dieser standen aufgrund von Grundstücksverkäufen im Streitjahr ausreichende Geldmittel zur Verfügung.

Das Gebäude wurde in einem Abstand von ca. 3 m entlang einer Staatsstraße auf dem Grundstück des Ehemanns errichtet. Es ist ausschließlich vom Innenhof des landwirtschaftlichen Betriebs des Ehemanns her befahr- und begehbar. In dem errichteten Gebäude befinden sich eine Maschinenhalle, eine Werkstatt, ein Kühlraum, ein Schlachtraum sowie weitere Bereiche entsprechend den betrieblichen Bedürfnissen des Ehemanns.

Mit Vertrag vom 1. Januar 2007 überließ die Klägerin ihrem Ehemann das landwirtschaftliche Nebengebäude mit Lager und Werkstatt vom 1. Januar 2007 bis 1. Januar 2017 für monatlich 600 EUR zzgl. 19 % MwSt zur Nutzung. Zusätzliche Betriebskosten waren danach nicht zu zahlen. Regelungen zu Erhaltungskosten wurden nicht getroffen. Am 1. September 2007 wurde der Mietzins ab September 2007 auf 670 EUR zzgl. 19 % MwSt erhöht.

In ihrer berichtigten Umsatzsteuererklärung für 2006, der der Beklagte (das Finanzamt –FA–) zustimmte, errechnete die Klägerin einen Vorsteuerbetrag aus den Gebäudeerrichtungskosten i.H.v. 24.140,74 EUR und einen Erstattungsanspruch in gleicher Höhe.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung, die die „Vorschaltung” der Klägerin bei der Errichtung des landwirtschaftlichen Nebeng...

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