Entscheidungsstichwort (Thema)

Günstigerprüfung beim Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

Trotz tatsächlicher Nichtzahlung des Kindergelds ist seit 2004 kein Freibetrag zu gewähren, sofern der Anspruch auf Kindergeld günstiger als der Freibetrag ist.

 

Normenkette

EStG § 31

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 08.07.2011; Aktenzeichen III B 7/10)

BFH (Beschluss vom 08.07.2011; Aktenzeichen III B 7/10)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob ein Kinderfreibetrag zu gewähren ist.

Die Kläger werden vom Beklagten – dem Finanzamt (FA) – für das Streitjahr 2004 zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt.

In ihrer ESt-Erklärung für das Streitjahr gaben die Kläger auf der Anlage Kind an, keinen Anspruch auf Kindergeld zu haben. Das FA folgte dem nicht und ging von einem Anspruch auf Kindergeld aus. Da die Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) zu dem Ergebnis führte, dass der Anspruch auf Kindergeld günstiger war, als die Gewährung eines Kinderfreibetrages, setzte das FA keinen Freibetrag an, rechnete aber andererseits auch nicht den Kindergeldanspruch der tariflichen ESt hinzu (ESt-Bescheid vom 5. April 2006 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung).

Den Antrag der Kläger auf Änderung des ESt-Bescheids für das Streitjahr lehnte das FA mit Bescheid vom 10. Oktober 2006 ab, ebenso den hierauf gerichteten Einspruch der Kläger mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 10. Juli 2007.

Mit Ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehr auf Gewährung des Kinderfreibetrages weiter. Andere Punkte sind zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig.

Die Kläger tragen vor, es sei tatsächliche keine Kindergeldzahlung erfolgt. Daher sei der Kinderfreibetrag zu gewähren, ohne dass das – nicht gezahlte – Kindergeld der tariflichen Steuer hinzugerechnet wird. Tatsächlich hat die Bundesagentur für Arbeit, Familienkasse Deggendorf unter dem 20. März 2007 bestätigt, dass die Kläger in den Jahren 2001 ff. kein Kindergeld bezogen haben. Aus dem Schreiben der Kläger vom 4. Dezember 2009 ergibt sich, dass der Kindergeldanspruch offenbar festsetzungsverjährt ist.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das FA zu verpflichten, den ESt-Bescheid für 2004 vom 5. April 2006 dahingehend zu ändern, dass ein Kinderfreibetrag berücksichtigt werde, ohne dass ein Kindergeldbetrag der tariflichen ESt hinzugerechnet wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich im Wesentlichen auf die EE, auf die wegen der dortigen Rechtsausführungen im Einzelnen verwiesen wird.

Der Senat hat die Streitsache mit Beschluss vom 9. November 2009 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit zwei unmittelbar zur mündlichen Verhandlung eingegangenen Telefax-Schreiben haben die Kläger beantragt, den Termin aufzuheben und das Verfahren bis zu einer Entscheidung der Kindergeldstelle Deggendorf auszusetzen, hilfsweise in der Urteilsbegründung festzustellen, dass die Festsetzungsverjährung für die Kindergeldbeantragung des Jahres 2004 noch nicht abgelaufen ist.

Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2009 vor dem Einzelrichter wird verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist nicht begründet.

Nach § 31 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung wird die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes durch Freibeträge oder Kindergeld bewirkt. Ist der Abzug der Freibeträge günstiger als der Anspruch auf Kindergeld, erhöht sich die unter Berücksichtigung des Abzugs der Freibeträge für Kinder ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld (§ 31 Satz 4 Halbsatz 1 EStG).

Das FA hat danach zunächst eine Günstigerprüfung vorzunehmen. Bei dem zu versteuernden Einkommen der Kläger ist die steuerliche Wirkung durch einen Freibetrag geringer, als der Anspruch auf Kindergeld, sofern man diesen wie das FA mit 1.848 EUR ansetzt. Diese Prüfung hat das FA vorgenommen, was die Kläger auch nicht bestreiten.

Die Kläger wenden sich vielmehr dagegen, dass der Anspruch auf Kindergeld in der genannten Höhe berücksichtigt wird und nicht die Tatsache, dass kein Kindergeld gezahlt wurde.

1. Nach der Änderung des § 31 EStG zum 1. Januar 2004 kommt es jedoch nicht mehr auf die Zahlung des Kindergeldes an. Der Gesetzgeber hat den Wortlaut des § 31 EStG bewusst dahingehend geändert, dass die Prüfung alleine mit dem Anspruch erfolgten solle. Dies sollte der Verwaltungsvereinfachung dienen, indem geänderte Steuerfestsetzungen durch nachträgliche Kindergeldgewährung entbehrlich werden (Gesetzesbegründung, Bundestagsdrucksache 15/1945, Seite 9). Entsprechend hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass es im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung unbeachtlich ist, „ob Kindergeld gezahlt worden ist oder nicht, oder ob es … zurückgefordert wird” (BFH-Beschuss vom 15.12.2006 VII B 7/06, BFH/NV 2007, 908).

Nach dem Vorstehenden ist es im Streitfall unerheblich, dass – aus welchem Grund auch immer – die Finanzkasse kein Kindergeld gezahlt hat. Nach dem vom Gesetzgeber verfolgten V...

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