Entscheidungsstichwort (Thema)

Ärztliche Rentengutachten keine steuerfreien Leistungen gemäß § 4 Nr. 14 UStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Die von einem Arzt für die gesetzliche Rentenversicherung erstellten, auf das Vorliegen, den Umfang und die Behandlungsmöglichkeiten von Erwerbsminderungen eingehenden, jeweils neben Vorgeschichte, ärztlichem Befund, Diagnose, Epikrise und eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung enthaltenden Gutachten sind nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, wenn der Hauptzweck der Gutachten ist, dem Rentenversicherungsträger eine Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob gemäß den sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Versicherte Anspruch auf eine medizinische oder berufliche Reha oder auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung hat.

 

Normenkette

UStG 1999 § 4 Nr. 14 S. 1; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 31.07.2007; Aktenzeichen V B 98/06)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie. Unter anderem erstellte er im Auftrag der ehemaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung (Rentengutachten) über das Vorliegen, den Umfang und die Behandlungsmöglichkeiten von Erwerbsminderungen. Über die von ihm erbrachten Gutachten rechnete der Kläger ohne Ausweis der Mehrwertsteuer ab.

In seiner Umsatzsteuervoranmeldung für September 2004 und nachfolgend in seiner Jahressteuererklärung behandelte der Kläger die Einnahmen aus 16 Rentengutachten in Höhe von insgesamt 4.225,87 EUR als gemäß § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Umsätze.

Davon abweichend setzte der Beklagte (das Finanzamt) zunächst mit Bescheid vom 1. Oktober 2004 die Umsatzsteuervorauszahlung für September 2004 und schließlich während des Klageverfahrens mit Bescheid vom 7. Februar 2005 die Umsatzsteuer 2004 auf 15.769,92 EUR fest. Dabei verminderte das Finanzamt die erklärten steuerfreien Umsätze um 4.226 EUR und erhöhte die steuerpflichtigen Umsätze um 3.642 EUR (= 100/116 von 4.225 EUR). Das Finanzamt war dabei der Ansicht, dass Gutachten im Rahmen eines Rentenverfahrens nicht steuerfrei seien, da hier ein Rentenantrag und nicht die medizinische Betreuung Anlass für die ärztliche Tätigkeit sei.

Den Einspruch gegen den Vorauszahlungsbescheid wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2004 als unbegründet zurück.

Zur Begründung der dagegen gerichteten Klage wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die 16 Gutachten zwar jeweils aus Anlass von Rentenanträgen der zu begutachtenden Personen von der LVA beim Kläger in Auftrag gegeben worden seien. Unabhängig davon hätte der Kläger im Rahmen seiner Gutachten aber insbesondere auch zu überprüfen und zu beurteilen, ob durch sog. Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsmaßnahmen, im Folgenden Reha-Maßnahmen) eine etwaige Gefährdung der Erwerbsfähigkeit abgewendet oder eine etwaige geminderte Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden könne. Ggf. seien von dem Kläger entsprechende Maßnahmen vorzuschlagen gewesen. In vier Fällen sei der Kläger tatsächlich zu dem Ergebnis gelangt, dass anstelle der beantragten Rente Leistungen zur Teilhabe, d.h. Reha-Maßnahmen, durchzuführen seien (unter Hinweis der als Anlage A 1 bis A 16 beigefügten Gutachten). Der Kläger gehe von der Umsatzsteuerfreiheit der diesen Einnahmen zugrunde liegenden Tätigkeit, nämlich Erstellung von Gutachten über die Minderung der Erwerbsfähigkeit, aus. Entsprechend habe er diese Tätigkeiten der LVA mit 16 Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis in Rechnung gestellt. Für die Steuerfreiheit sei nicht Voraussetzung, dass ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehe. Vielmehr müsse nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) für die Anwendung der Steuerbefreiung nur auszuschließen sein, dass die zu beurteilende ärztliche Leistung nicht dem Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit diene. Primäres Ziel sowohl der Renten- als auch der Reha-Gutachten sei immer die Prüfung der Erfolgsaussichten von Reha-Maßnahmen. Grund und Ziel der Gutachtendiagnose sei also immer und in erster Linie gerade die Frage nach den Therapiemöglichkeiten für die zu begutachtende Person. Die Erstellung der Gutachten diene damit sogar ausdrücklich und insbesondere dem Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit der Personen, über die das Gutachten erstellt werde. Es komme nicht darauf an, ob ein Gutachten als Rentengutachten aufgrund eines Antrags oder als Reha-Gutachten aufgrund eines Antrags auf Leistung zur Teilhabe erstellt werde. Daher könne auch die Bezeichnung als Rentengutachten oder als Reha-Gutachten für die Frage der Umsatzsteuerpflicht keine Rolle spielen. Bei der Gutachtenerstellung gehe es also nicht lediglich darum, dem Auftrag gebenden Sozialversicherungsträger eine Entscheidungsfindung zu ermögliche...

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