Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Besteuerungsrückfall bei Einkünften, die im anderen Vertragsstaat nur teilweise besteuert werden. Ruhen eines Klageverfahrens vor dem FG im Hinblick auf ein vor dem BFH anhängiges Musterverfahren nur mit Zustimmung des Klägers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der abkommensüberschreibende Besteuerungsrückfall nach § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG wird tatbestandlich nur dann ausgelöst, „wenn” die betreffenden Einkünfte aus den Gründen der fehlenden Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat nicht steuerpflichtig sind. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift greift die Rückfallklausel nicht, wenn sich die Besteuerung im anderen Vertragsstaat auf einen Teil der Einkünfte beschränkt (entgegen FG Berlin-Brandenburg v. 29.4.2014, 3 K 3227/13, EFG 2014, 1278, Revision eingelegt, Az. des BFH: I R 41/14).

2. Ein Klageverfahren darf nicht allein deshalb nach § 74 FGO ausgesetzt werden, weil bei dem BFH ein anderer Rechtsstreit anhängig ist, der eine vergleichbare Rechtsfrage betrifft oder als Musterverfahren geführt wird. In einem solchen Fall können vielmehr beim FG schwebende Parallelverfahren nur gem. § 251 ZPO i. V. m. § 155 FGO zum Ruhen gebracht werden, wozu es jedoch u. a. der Zustimmung des Klägers bedarf.

 

Normenkette

EStG § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2; DBA IRL Art. 12 Abs. 3; FGO §§ 74, 155; ZPO § 251

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.05.2015; Aktenzeichen I R 69/14)

 

Tenor

1. Der Bescheid für 2008 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 20. Juli 2010, geändert durch Bescheid vom 06. September 2010, und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 05. November 2012, werden geändert.

2. Der Bescheid für 2009 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 12. April 2011 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29. Oktober 2012 werden geändert.

3. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderten Festsetzungen für 2008 und 2009 nach Maßgabe der Entscheidungsgründe zu errechnen, ferner den Klägern das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Gerichtsbescheides neu bekanntzugeben.

4. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

5. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

6. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

7. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob Einkünfte des Klägers aus dessen Tätigkeit als Pilot für eine irische Fluggesellschaft der deutschen Besteuerung unterliegen.

Die Kläger werden in den Streitjahren als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie hatten in dieser Zeit ihren gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland.

Der Kläger ist Pilot. Er war in den Streitjahren bei der (….) mit Sitz in (…)/Irland angestellt. Die sog. Heimatflughäfen des Klägers lagen im Streitjahr 2008 in Italien (vom 01. Januar bis 27. April 2008 in …) und in Spanien (vom 28. April bis 04. November 2008 in …). Ab 05. November 2008 war er in (…)/Spanien stationiert. Dort übernahm er ab 05. November 2008 zusätzlich die Funktion eines sog. Base Captain, die administrative – nicht unmittelbar mit der Flugtätigkeit zusammenhängende – Aufgaben am Boden umfasst. An den Heimatflughäfen unterhielt der Kläger jeweils eine Mietwohnung.

Im Jahr 2008 erhielt der Kläger von seiner Arbeitgeberin eine Vergütung von insgesamt (…) EUR. Davon entfielen auf seine Tätigkeit als Chefpilot (…) EUR und auf seine Tätigkeit als Base Captain ein Betrag von (…) EUR. Im Jahr 2009 verdiente er insgesamt (…) EUR; (…) EUR davon entfielen auf die Tätigkeit als Chefpilot, (…) EUR auf die Tätigkeit als Base Captain. Von diesen Vergütungen behielt die Arbeitgeberin des Klägers jeweils die nach irischem Recht zu erhebenden Steuern ein und führte diese an die zuständige irische Finanzbehörde ab. Auf Antrag wurden dem Kläger diejenigen Beträge erstattet, die auf Arbeitsleistungen entfielen, die außerhalb Irlands erbracht worden waren. Dementsprechend wurden im Jahr 2008 (…) EUR und im Jahr 2009 (…) EUR in Irland besteuert.

Der Beklagte (das Finanzamt – FA) unterwarf den nicht in Irland besteuerten Teil des Arbeitslohns von (…) EUR (2008) bzw. (…) EUR (2009) der deutschen Besteuerung und setzte die Einkommensteuer 2008 mit Bescheid vom 20. Juli 2010 mit (…) EUR und die Einkommensteuer 2009 mit Bescheid vom 12. April 2011 mit (…) EUR fest. Hiergegen legten die Kläger jeweils Einspruch ein. Dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2008 half das FA teilweise ab, indem es weitere Werbungskosten berücksichtigte und die Einkommensteuer auf (…) EUR herabsetzte (Bescheid vom 06. September 2010). Die Freistellung der Einkünfte des Klägers von der deutschen Einkommensteuer lehnte das FA weiterhin ab.

Auf Antrag der Kläger ruhten die Einspruchsverfahren ...

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