Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO bei vom Erblasser begangener Steuerhinterziehung und zusätzlich vom Erben durch Unterlassen einer Berichtigung nach § 153 AO begangener weiterer Steuerhinterziehung. zur Berichtigungspflicht des Erben nach § 153 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 7 AO greift nicht nur bei einer vom Erblasser selbst begangenen Steuerhinterziehung, sondern auch dann, wenn innerhalb der aufgrund einer Steuerhinterziehung des Erblassers verlängerten Festsetzungsfrist der Gesamtrechtsnachfolger eine eigenständige Steuerhinterziehung durch Unterlassen der Berichtigungspflicht nach § 153 AO begeht. Folge dieser neuen und eigenständigen Straftat ist, dass die Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 7 AO so lange gehemmt ist, solange die Steuerstraftat des Erben nicht verjährt ist.

2. Gesamtrechtsnachfolger treten sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein. Gegen den Erben laufen daher grundsätzlich die gegenüber dem Erblasser in Gang gesetzten Verjährungsfristen, also auch die zehnjährige Festsetzungsfrist nach einer Steuerhinterziehung des Erblassers, weiter.

3. Die Verpflichtung zur Berichtigung nach § 153 AO trifft auch den Gesamtrechtsnachfolger eines Steuerpflichtigen. Der Gesamtrechtsnachfolger muss tätig werden, wenn er erkennt, dass Erklärungen des Rechtsvorgängers unrichtig waren. Die Berichtigungspflicht ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gesamtrechtsnachfolger bereits vor dem Tod des Erblassers Kenntnis von Kapitalvermögen im Ausland und unrichtigen Steuererklärungen hatte, da für die nachträgliche Kenntnis auf den Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers abzustellen ist (vgl. BFH, Urteil v. 29.8.2017, VIII R 32/15, BStBl 2018 II S. 223).

4. Für den Fall, dass der Erbe bereits Mittäter oder Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) der vorsätzlichen Straftat des Erblassers war, besteht keine Berichtigungspflicht. Mittäter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung ist nicht, wer als Ehegatte lediglich die gemeinsame Einkommensteuererklärung unterschreibt, in der der andere Ehegatte (Erblasser) unrichtige oder unvollständige Angaben zu seinen Einkünften gemacht hat.

 

Normenkette

AO § 171 Abs. 7, § 169 Abs. 2 Sätze 2, 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 S. 1, § 153 Abs. 1 S. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2-3, § 376

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerinnen sind die Erbinnen des am 2. Juni 2007 verstorbenen …, dessen Witwe, sowie die beiden Töchter.

Die Ehegatten … waren beim beklagten Finanzamt bestandskräftig zusammen zur Einkommensteuer und zur Vermögenssteuer veranlagt. Die Einkommensteuererklärung für 1995 und die Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1996 reichten die Steuerpflichtigen am 10. März 1997 beim Finanzamt ein. Die Einkommensteuererklärungen der anderen Streitjahre gingen in späteren Jahren ein, zuletzt die Steuererklärung für 2001 am 23. Dezember 2002.

… unterhielt seit den 1980er Jahren gemeinsam mit seinem Bruder Depots in Liechtenstein und in der Schweiz, die sie beide von ihrem verstorbenen Vater geerbt hatten. Diese Depots wurden später im Verhältnis 50:50 zwischen den Brüdern aufgeteilt. brachte seinen Anteil in zwei Stiftungen mit Sitz in Liechtenstein ein. Die daraus erzielten Kapitalerträge sowie das Kapitalvermögen wurden nicht in den Steuererklärungen angegeben und dadurch Steuern verkürzt.

Im Rahmen einer Außenprüfung betreffend die Einkommensteuer 1995 bis 1999 sowie die Vermögenssteuer auf den 1. Januar 1996 wurden die ausländischen Kapitalerträge bzw. das Kapitalvermögen nicht aufgedeckt.

Der Erblasser hat die Einkommensteuererklärung für 2005 selbst eingereicht. Die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2006 und 2007 gaben die Klägerinnen in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerinnen ab. Die ausländischen Kapitalerträge erklärten die Klägerinnen dabei nicht. Zunächst berichtigten die Klägerinnen ihre Angaben nicht. Auch die Auskehrungen der Stiftungen an sich selbst im Jahr 2007 deklarierten die Klägerinnen nicht.

Am 2. Dezember 2014 ging beim Finanzamt eine Selbstanzeige ein, mit der die Erbinnen für den Erblasser und sich selbst Einkünfte aus ausländischen Kapitalanlagen für die Zeiträume 2002 bis 2012 nacherklärten. Diese Selbstanzeige behandelte das Finanzamt als wirksam. Das Finanzamt berichtigte die genannten Veranlagungszeiträume; die Mehrsteuern wurden bezahlt. Die Verfahren zu den Jahren 2002 bis 2012 sind abgeschlossen.

Am 5. Februar 2015 erfolgte durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle die Anordnung zur Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Am 30. Januar 2015 leitete die Steuerfahndung gegen die Erbinnen eine Steuerfahndungsprüfung wegen des Verdachtes der vorsätzlichen Einkommensteuerverkürzungen für die Jahre 2006 bis 2012 ein. Inhalt dieser Verfügung war zudem die Ei...

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