Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahme einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch bei fehlendem Buch- und Belegnachweis. Ernstliche Zweifel an der Versagung der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung wegen Mitwirkens an der Mehrwertsteuerhinterziehung des Abnehmers. Kein Vorsteuerabzug bei fehlender Identität zwischen Leistenden und Rechnungsaussteller

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden die von einem inländischen Unternehmer veräußerten Neufahrzeuge abgeholt bzw. von diesem versendet, nach Italien verbracht und dort zugelassen, liegt unabhängig davon, ob jeweils einen ausreichender Beleg- und Buchnachweis erbracht wird, eine innergemeinschaftliche Lieferung vor. Unerheblich ist, ob die Lieferung durch die Steuerfahndung festgestellt oder durch den Unternehmer nachgewiesen wird.

2. Bestehen bereits im Zeitpunkt des Erlasses von Umsatzsteuerbescheiden ernstliche Zweifel i. S. d. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftliche Lieferungen entgegensteht, dass der inländische Unternehmer bewusst und gewollt an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers mitwirkt, ist die Vollziehung rückwirkend zum Fälligkeitszeitpunkt aufzuheben.

3. Ein Unternehmer hat bei fehlender Identität zwischen Rechnungsaussteller und Leistenden keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen.

 

Normenkette

UStG 1999 § 6a Abs. 3, 1 Nrn. 1, 3, Abs. 2 Buchst. c, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 14; UStDV §§ 17a, 17c; EWGRL 388/77 Art. 28c Teil A Buchst. a; UStG 1999 § 4 Nr. 1 Buchst. b; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1

 

Tenor

1. Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 2004 vom 26. Juli 2006 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 26. Februar 2007 wird i.H.v. … EUR ausgesetzt.

2. Die Vollziehung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für 2005 vom 18. Mai 2006 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23. Februar 2007 wird für

  1. Januar i.H.v. …
  2. Februar i.H.v. …
  3. März i.H.v. …
  4. April i.H.v. …
  5. Mai i.H.v. …
  6. Juni i.H.v. …
  7. Juli i.H.v. …
  8. August i.H.v. …
  9. September i.H.v. …
  10. Oktober i.H.v. …
  11. November i.H.v. … und
  12. Dezember i.H.v. … EUR ausgesetzt.

3. Die Vollziehung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für Januar 2006 vom 13. November 2006 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 23. Februar 2007 wird i.H.v. … EUR ausgesetzt.

4. Die Vollziehung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für Februar 2006 vom 13. November 2006 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23. Februar und 7. Juli 2007 wird i.H.v. … EUR ausgesetzt.

5. Die Vollziehung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für März 2006 vom 28. November 2006 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23. Februar und 7. Juli 2007 sowie für August und Oktober 2006 vom 10. Mai und 23. Februar 2007 wird jeweils in voller Höhe ausgesetzt.

6. Die Vollziehung der o.g. Bescheide wird für die Dauer der Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage beim Finanzgericht München gegen Sicherheitsleistung i.H.v. insgesamt … EUR ausgesetzt. Die Aussetzung der Vollziehung entfällt rückwirkend, sofern die Sicherheitsleistung nicht bis zum 30. November 2009 geleistet wird.

7. Die Verwirkung angefallener Säumniszuschläge wird aufgehoben, soweit sie auf die ausgesetzten Beträge entfallen.

8. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

9. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner zu … % und die Antragstellerin zu … %.

 

Tatbestand

I.

Streitig im Hauptsacheverfahren 14 K 1164/09 ist die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen von Neufahrzeugen und die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb dieser Kfz.

Die Antragstellerin erzielt steuerpflichtige Umsätze aus dem Betrieb einer Werkstatt mit Karosseriebau und handelt mit hochwertigen Neufahrzeugen. An der Antragstellerin sind die beiden Brüder A und B jeweils zu 50 % als Gesellschafter beteiligt und im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebes einzelvertretungsberechtigt. Gewinn und Verlust der Antragstellerin werden entsprechend verteilt.

Die Steuerfahndung kam nach einer bei der Antragstellerin durchgeführten Prüfung zu dem Ergebnis, dass diese in der Zeit von 2003 bis Februar 2006 zu Unrecht einen Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der X-Automobile geltend gemacht hat. Der Antragsgegner (das Finanzamt) ordnete deshalb am 28. März und 11. April 2006 den dinglichen Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Antragstellerin und der Gesellschafter i.H.v. insgesamt … EUR wegen Umsatzsteuer 2003 bis Dezember 2005 an.

Am 18. Mai 2006 erließ das Finanzamt unter Hinweis auf die Arrestanordnungen für die Voranmeldungszeiträume Januar bis Dezember 2005 und am 26. Juli 2006 für die Jahre 2003 und 2004 sowie am 13. November 2006 für Januar 2006 jeweils nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide, mit denen ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der X-Automobile nicht mehr zugelassen wurde.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 13. November 2006 kürzte das Finanzamt den Vorsteuerabzug für den Monat Februar 2006 um … EUR. Dies betraf eine Rechnung der X-Automobile i.H.v. … EUR sowie Rechnungen der Fa. Y i.H.v. … EUR und R...

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